Dutzende Ostermärsche gegen den Krieg: Habeck nennt Pazifismus „fernen Traum“

Der Ukraine-Krieg gibt den Friedensforderungen bei den traditionellen Ostermärschen neue Aktualität. Kritiker:innen befürchten einen Missbrauch der Demos.
Berlin – Bei Dutzenden Ostermärschen haben am Ostersamstag tausende Menschen in ganz Deutschland für Frieden und gegen den Krieg demonstriert. Während bei besonders pazifistischen Veranstaltungen auch die Aufrüstung des Westens für die Verteidigung gegenüber Russland kritisiert wurde, sprachen sich Teilnehmer:innen anderer Veranstaltungen klar gegen den russischen Angriffskrieg aus und betonten ihre Unterstützung für das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine.
Allein bei zwei konkurrierenden Demonstrationen in Berlin sind knapp 1800 Teilnehmende auf die Straßen gegangen. Zum traditionellen Ostermarsch der Friedenskoordination für eine „neue Sicherheitsarchitektur von Lissabon bis Wladiwostok“ kamen nach Polizeiangaben rund 1300 Teilnehmer:innen zusammen, während beim alternativen Ostermarsch gegen den Ukraine-Krieg rund 500 Menschen unterwegs waren.
Ostermärsche in Zeiten des Ukraine-Kriegs: Verschiedene Positionen der Kriegsgegner:innen
Den Friedensmärschen, die seit den 1960er-Jahren traditionell an Ostern stattfinden, gibt der Ukraine-Konflikt derzeit eine ganz neue Aktualität, sichtbar jedoch auch eine neue Brisanz. Weil das Ziel des Pazifismus eine Welt im Frieden ist, und damit eine internationale Abrüstungspolitik, interpretieren Kritiker:innen die Forderung der Teilnehmenden vieler Ostermärsche als „Unterstützung“ gegenüber den Aggressionen Russlands.
Während der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff die Ostermarschierenden, denen er eine Relativierung des russischen Vorgehens und der damit verbundenen Kriegsverbrechen vorwarf, als „fünfte Kolonne“ des russischen Machthabers Wladimir Putin kritisierte, stellte sich die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann auf die Seite der Demonstrierenden. Es sei nicht gerecht, Menschen, die sich seit Jahrzehnten für Frieden einsetzten, vorzuwerfen, sie stünden auf der Seite Russlands, sagte sie am Samstag im NDR.
Vizekanzler Habeck fordert bei Ostermärschen Position gegen Aggressor im Ukraine-Krieg
Grünen-Vizekanzler Robert Habeck indes forderte die Demonstrierenden auf, klar Stellung gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu beziehen. „Frieden kann und wird es nur geben, wenn Putin seinen Angriffskrieg stoppt“, sagte der Wirtschaftsminister der Funke Mediengruppe und gab zu bedenken, dass Pazifismus in diesen Zeiten nur „ein ferner Traum“ sei.
Kriegsverbrechen seien „offenkundig Teil“ der russischen Kriegsführung. Daher gelte für ihn derzeit, „dass Zuschauen die größere Schuld ist“, mahnte der Vizekanzler Unterstützung für die Ukraine an. Es sei „eindeutig, wer in diesem Krieg Angreifer ist und wer sich in schwerer Not verteidigt und wen wir unterstützen müssen – auch mit Waffen“.
Das organisierende Netzwerk Friedenskooperative sprach am Samstag von einem erfolgreichen Start der Ostermärsche meistens am Karfreitag, einzeln auch bereits am Donnerstag. Mit über 70 Veranstaltungen und Aktionen bilde der Karsamstag den Höhepunkt der Ostermarsch-Aktivitäten. „In vielen Städten wie Berlin, Bremen, Göttingen, Leipzig, München, Münster, Rostock, Stuttgart oder Wiesbaden gehen die Menschen auf die Straße, um sich für Frieden und Abrüstung einzusetzen“, hieß es in einer Erklärung. (ska mit AFP/dpa)