Erstmeldung vom Dienstag, 19.04.2022: Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Ukraine zugesagt, direkte Rüstungslieferungen der deutschen Industrie im Ukraine-Konflikt zu finanzieren. „Wir haben die deutsche Rüstungsindustrie gebeten, uns zu sagen, welches Material sie in nächster Zeit liefern kann“, sagte Scholz am Dienstag (19.04.2022) in Berlin.
„Die Ukraine hat sich nun von dieser Liste eine Auswahl zu eigen gemacht, und wir stellen ihr das für den Kauf notwendige Geld zur Verfügung.“ Darunter seien wie bisher Panzerabwehrwaffen, Luftabwehrgeräte, Munition „und auch das, was man in einem Artilleriegefecht einsetzen kann“. Konkrete Aussagen zum Thema schwere Waffen im Ukraine-Krieg hat der Bundeskanzler allerdings vermieden.
Nato-Partner, die Waffen sowjetischer Bauart in die Ukraine liefern, könnten Ersatz aus Deutschland erhalten, gab der Bundeskanzler weiter bekannt. Sofortige Einsetzbarkeit und Verfügbarkeit seien bei den Waffenlieferungen wichtig. Für seine Entscheidung erntete Scholz Kritik. „Um Freiheit und Menschenrechte muss man aber kämpfen, die bekommt man nicht geschenkt. Dafür kam heute noch zu wenig Konkretes“, sagte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Auch aus der Union kam erneut Kritik. „Deutschland liefert weiter keine schweren Waffen, d.h. lässt die Ukraine im Stich“, schrieb der stellvertretende Unionsfraktionschef Johann Wadephul (CDU) bei Twitter.
Scholz äußerte sich nach einer Videokonferenz mit Staats- und Regierungschefs internationaler Partner und den Spitzen von Nato und EU. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach anschließend davon, dass die Sanktionen gegen Russland verschärft sowie die „Finanz- und Sicherheitshilfe“ für die Ukraine ausgebaut werden sollten. Wie bereits beschlossen, werde die EU einen Solidaritätsfonds für unmittelbare Unterstützung sowie für den Wiederaufbau der demokratischen Ukraine entwickeln.
Politiker:innen von FDP, Grünen und Union hatten zuletzt den Druck auf Scholz immer mehr erhöht, sich für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine einzusetzen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warf der SPD vor, Deutschland mit einer „gebremsten und zu späten Unterstützung der Ukraine“ in Europa zu isolieren. Deutschland sei in einer internationalen Krise noch nie so abgekapselt und teilnahmslos gewesen.
Deutschland hat bisher unter anderem Panzerfäuste, Luftabwehrraketen und Maschinengewehre geliefert, außerdem Fahrzeuge, Nachtsichtgeräte und Schutzausrüstung. Die Ukraine fordert aber auch schwere Waffen wie Kampfpanzer, Artilleriegeschütze und Kampfhubschrauber. Am Karfreitag (15.04.2022) war bekannt geworden, dass die Regierung Gelder zur Anschaffung von Militärgerät für die Ukraine deutlich aufstocken will. Das ersetze nicht die Notwendigkeit, schnell Waffen zu liefern, heißt es seitdem von Scholz-Kritikern. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte im ZDF-Morgenmagazin, er halte sehr viel davon, dass die Bundesregierung die Ukraine mit Geld unterstütze. „Aber man darf sich nicht freikaufen“, betonte er.
Die SPD-Chefin Saskia Esken verteidigte den Kurs des Kanzlers im ZDF-Morgenmagazin. Die Regierung habe bereits die Lieferung schwerer Waffen ermöglicht, sagte sie und verwies auf Panzer aus Tschechien: Die Bundesregierung hatte einer Lieferung von Schützenpanzern aus DDR-Beständen in die Ukraine zugestimmt. „Wir haben Abwehrraketen und vieles andere geliefert, und wir arbeiten weiterhin auch an der Liste der Waffen, die die Ukraine genannt hat, die sie benötigt, und werden alles versuchen, um Lieferungen auch möglich zu machen.“ Man stimme sich dabei eng mit den europäischen und transatlantischen Partnern ab. (Helena Gries mit dpa)