Propaganda-Handbuch zur Gegenoffensive aufgetaucht – Kreml bereitet Volk auf Desaster vor
Der Kreml sucht offenbar nach Wegen, seiner Bevölkerung eine erfolgreiche Gegenoffensive der Ukraine zu erklären. Ein geleaktes Handbuch gibt Aufschluss.
Moskau - Wie berichten russische Medien über den Kriegsverlauf in der Ukraine? Konkret: Über die erwartete Gegenoffensive der Ukraine, die von Russland besetzte Gebiete zurückerobern will? Ein geleaktes Handbuch des Kreml zeigt: Die staatlichen Medien berichten vor allem so, wie Präsidenten Wladimir Putin es will.
Wie Putin es seinem Volk verkaufen will, sollte die Ukraine in ihrer Gegenoffensive tatsächlich erfolgreich sein, wurde jetzt dem russischen Exilmedium Meduza zugespielt. Bei dem Leak handelt sich offenbar um ein Handbuch für russische Propagandisten, das vom Kreml erstellt worden sein soll.

Geleaktes Handbuch: Medien erhalten Anweisungen zu Gegenoffensive
In dem Handbuch erhalten staatliche und regierungsnahe Medien in Russland offenbar Anweisungen, wie sie über die ukrainische Gegenoffensive berichten sollen. Der Inhalt ist aufschlussreich: Russische Medien sollten die geplante Offensive keinesfalls verharmlosen und die Stärke der Ukrainer nicht herunterspielen.
Stattdessen solle der Fokus darauf gelegt werden, wie stark die Ukraine von der Nato unterstützt werde. Berichtet werden solle schwerpunktmäßig über die Waffen, die die Ukraine vom Westen erhalte und darüber, dass der Westen das Land auf „jede erdenkliche Weise“ unterstütze.
Putin gibt Propaganda-Handbuch heraus - Suche nach kommunikativem Ausweg?
Meduza sprach in diesem Zusammenhang auch mit zwei regierungsnahen russischen Quellen. Diese erklärten, dass die russische Führung mit dem Propaganda-Handbuch versuche, kommunikativ einen Ausweg für unterschiedliche Szenarien zu finden:
- Die ukrainische Gegenoffensive verläuft erfolgreich: Russland könnte dies anhand der vorangegangenen Berichterstattung durch die massive Unterstützung des Westens und der Nato erklären. In Relation dazu könnten die ukrainischen Erfolge als „bescheiden“ verkauft werden, was die russische Armee in einem günstigeren Licht erscheinen lasse.
- Die ukrainische Gegenoffensive scheitert: Putins Propaganda werde lauten, dass die russische Armee den ukrainischen Angriff erfolgreich abgewehrt hat, obwohl der gesamte Westen und die Nato die Angriffe unterstützt haben. Putins Truppen könnten somit als äußerst geschickt und übermächtig präsentiert werden.
Putin-Handbuch geleakt: Wiederaufbau in annektierten Gebieten soll verschwiegen werden
Noch ein interessantes Detail ist laut Meduza in dem geleakten Handbuch zu finden: Die Propagandisten sollen nicht darüber berichten, wie viel Geld der russische Staat in die Hand nimmt, um die Infrastruktur in den besetzten und annektierten ukrainischen Gebieten wiederaufzubauen. Denn dies könne zu Unmut in der russischen Bevölkerung und Gefühlen der Benachteiligung führen. „Es wird sich herausstellen, dass sie in neuen Regionen reparieren, aber nicht in alten“, wird die kremlnahe Quelle zitiert.
Stattdessen sollen russisches TV und Zeitungen verstärkt über Investitionen im „alten“ Russland berichten, etwa über Reparaturen und Schulen, Krankenhäusern und Kindergärten. Dies solle die Zustimmung der Öffentlichkeit zu Putins Regierung fördern.
Russlands Haltung zum Ukraine-Eroberungen - Bevölkerung zwiespältig?
Gestärkt werde diese These durch eine Umfrage aus dem Jahr 2017, berichtet Meduza. Rund 40 Prozent der Russen hätten damals angegeben, dass Investitionen auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim auf Kosten von Gesundheitsversorgung, Gehälter und Renten der russischen Bevölkerung gehen. 55 Prozent von ihnen hätten dies als falsch bewertet.
Offenbar will Putin also verhindern, dass die Unterstützung für die Besetzung der ukrainischen Gebiete sinkt, weil sein Volk davon nicht Vorteile, sondern sogar Nachteile erwartet.
Russlands Siegesparaden zum 9. Mai sollen nicht im Fokus stehen
Unerwünscht ist darüber hinaus offenbar auch eine intensive Berichterstattung über den Tag des Sieges am 9. Mai, wenn Russland wie jedes Jahr den Sieg über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg feiert. Berichte zu den Vorbereitungen dafür solle laut dem Handbuch „nicht übertrieben“ werden.
In mehreren Städten wurden die Militärparaden zum 9. Mai bereits abgesagt, teils auch in Moskau. Gründe dafür sollen zum einen Sicherheitsbedenken, zum anderen ein Mangel an Panzern sein, weil diese allesamt an der Front in der Ukraine im Einsatz seien.
Unterdessen sucht auch die Ukraine eine kommunikative Strategie in Bezug auf ihre Frühjahrsoffensive: Die USA sollen keine Details mehr dazu erhalten, denn das Vertrauen ist beschädigt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist aktuell in Finnland - und auch eine Deutschland-Reise ist schon sehr bald geplant. (smu)