„Hunger und Not“ im Ukraine-Krieg: Ampel-Koalition spricht von „drastischen Ernteausfällen“

Die ukrainische Landwirtschaft spürt die Auswirkungen des Krieges deutlich - doch auch anderen Ländern droht Versorgungsknappheit. Die Union mahnt.
Mariupol – Der Ukraine-Krieg verändert die Versorgung weltweit. Das sieht man an gestiegenen Preisen für Energie, aber auch an alltäglichen Lebensmitteln wie Speiseöl. Hier ist die Ukraine Deutschlands wichtigster Lieferant, weil in dem Land viele Sonnenblumen und Raps hergestellt werden. Die Ukraine wird daher auch die Kornkammer Europas genannt.
In Kriegszeiten ist die globale Versorgung schwierig: zerstörte Felder, Ernteausfälle, keine großen Schiffslieferungen. Auch deshalb sind die Preise für Speiseöl aktuell so hoch. Die Versorgungslage in Deutschland ist zwar nicht gefährdet, in der Ukraine sowie in Entwicklungsländern sieht es jedoch düsterer aus. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung an die CDU/CSU-Fraktion hervor, die der FR vorliegt.
Ukraine-Krieg: Bundesregierung geht von „deutlichen Ernteausfällen“ aus
Laut dem ukrainischen Agrarminister Mykola Solskyi sind Feldarbeiten auf einem Areal von rund 3,5 Millionen Hektar unmöglich. Was bedeutet das für die Versorgung der Menschen vor Ort, fragte die Union in Richtung Landwirtschaftsministerium. „Nach Kenntnis der Bundesregierung ist aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffs der Russischen Föderation auf die Ukraine mit deutlichen Ernteausfällen verschiedener Feldfrüchte zu rechnen“, antwortet das Grünen-geführte Ministerium.
Besonders betroffen seien Weizenanbauregionen im Süden und Osten der Ukraine, also in jenen Gebieten, in denen der Krieg am stärksten tobt. Russland hatte zuletzt vor allem die Ostukraine angegriffen, etwa die Grenzregion Donbass. Der Süden bleibt ebenso unter Beschuss, etwa die wichtige Hafenstadt Mariupol. Von hier aus gehen normalerweise beladene Großtanker in den Westen. Vom Hafen Rotterdam aus werden ukrainische Lieferungen dann auf Deutschland verteilt.
Ukraine: Weizen- und Sonnenblumenernte vom Krieg betroffen
Wie viele Anbauflächen zerstört sind, könne man nicht sagen, erklärt das Landwirtschaftsministerium. „Ukrainische Quellen gehen von einer Reduzierung der Weizen- und Sonnenblumenernte um mehr als ein Drittel und bei Mais um rund die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr aus.“ Die gesamte Frühlingssaat könne so nur auf 70 bis 80 Prozent der Agrarfläche erfolgen.
Das Problem: Auch nicht vom Krieg zerstörte Felder sind teilweise unbrauchbar. Denn für die Landwirtschaft existenzielle Betriebsmittel wie Treibstoff, aber auch Düngen- und Pflanzenschutzmittel sind rar. Nichtsdestotrotz gelte die Lebensmittelversorgung der ukrainischen Bevölkerung derzeit als gesichert – „zumindest in Gebieten ohne Kampfhandlungen“.

Ukraine-Krieg: „politische Instabilität, Konflikte und Flucht durch Hunger und Not“
Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Albert Stegemannn, spricht gegenüber der FR von „deutlichen Ernteausfällen“ durch den eskalierten Ukraine-Konflikt. Das betreffe nicht nur Deutschland, da die Ukraine in viele Länder exportiert. „Von diesen Agrarprodukten (aus der Ukraine) sind Millionen Menschen in Entwicklungsländern abhängig. Das wird die internationale Situation deutlich verschärfen.“ Denkbar seien „politische Instabilität, Konflikte und Fluchtbewegungen durch Hunger und Not“.
Hinzu komme „das Problem der zunehmenden Verschuldung vieler Entwicklungsländer durch steigende Lebensmittel- und Energiepreise aufgrund des Kriegs.“ Diesen Aspekt würde die Bundesregierung nicht berücksichtigen. Für Länder aus Afrika, Asien und dem Nahen Osten drohe eine „steigende politische Abhängigkeit“ von Russland, da sie teils auf russische Importe angewiesen sind. „Aus geostrategischer Sicht muss Deutschland zusammen mit der EU, den USA und unseren Verbündeten hier dringend gegenhalten.“

Ukraine-Krieg: Union fordert Sonderhilfe wegen Versorgungsknappheit
Die Union hat daher einen Antrag eingereicht, der der FR vorliegt. Ziel ist es, der Ukraine „jetzt und in Zukunft“ zu helfen sowie die „Nahrungsmittelversorgung in der Welt sicherzustellen sowie europäische und deutsche Landwirtschaft krisenfest zu gestalten“.
Daher soll ein „Krisenstab im Bundeskanzleramt zur europäischen und internationalen Versorgungssicherheit“ eingerichtet werden. Außerdem soll die Ampel im Zuge der G7-Präsidentschaft einen internationalen Agrar- und Ernährungsgipfel initiieren, „um eine koordinierte und langfristige Strategie zur Sicherung der Ernährung zu entwickeln“. Auch müsse der Landwirtschaft in der Ukraine sowie in Entwicklungsländern geholfen werden. Etwa durch finanzielle Sondermittel, heißt es in dem von Friedrich Merz und Alexander Dobrindt unterzeichneten Schreiben im Namen der Unionsfraktion.
Das Landwirtschaftsministerium spricht schon jetzt von „unmittelbaren Folgen für die globale Ernährungssicherung“. Nach ersten Prognosen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen „wird dies zu einem Anstieg der Zahl der Hungernden um 8 bis 13 Millionen Menschen führen“, erklärt das Ministerium. „Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen geht sogar von 323 Millionen Menschen aus, die bis Ende 2022 von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sind.“ (as)