„Wie Vieh verkauft“: Wie russische Wehrpflichtige bei der Wagner-Gruppe landen

Die Wagner-Gruppe hat schwere Verluste beim Kampf um Bachmut. Für Nachschub sollen nun offenbar auch Zwangsrekrutierungen der eigenen Landsleute sorgen.
Luhansk – Die paramilitärische Gruppe Wagner rekrutiert im Ukraine-Krieg offenbar nicht nur Häftlinge und Schwerkranke, sondern macht auch vor Zwangsrekrutierungen russischer Staatsbürger nicht halt. Das geht aus einem Bericht des Journalistennetzwerks Astra hervor. Demnach sollen bewaffnete Mitglieder der Gruppe mobilisierte russische Soldaten dazu gezwungen haben, Verträge mit Wagner zu unterschreiben. Wer sich weigerte, verschwand plötzlich.
Wagner-Rekrutierung unter Zwang: Über hundert Soldaten weigern sich und verschwinden
Über hundert russische Soldaten sind dem Astra-Bericht zufolge verschwunden, nachdem sie einer Rekrutierung der russischen Söldnergruppe nicht zustimmten und sich geweigert hatten, entsprechende Verträge mit Wagner zu unterzeichnen. Das Netzwerk Astra beruft sich in seinem Bericht auf Gespräche mit Angehörigen sowie Text- und Audiodateien der betroffenen Soldaten.
Die Geschehnisse sollen sich in der ostukrainischen Region Luhansk abgespielt haben. Zuvor waren die russischen Soldaten offenbar mitten in der Nacht aus Kursk in Russland in den Donbass entsendet worden, in dem Glauben, in die russische Stadt Rostow am Don unterwegs zu sein. In Luhansk angekommen, seien sie eingesperrt und „wie Vieh“ an die Wagner-Gruppe verkauft worden, hieß es weiter.
57 der insgesamt 170 Personen hätten demnach die Verträge mit Wagner unterzeichnet und seien nun Mitglied der Einheit „Волки“, zu Deutsch: „Wölfe“. Die übrigen 113 Menschen seien weggebracht worden, wobei ihnen zuvor die Mobiltelefone abgenommen wurden, hieß es. Seit dem 7. April 2023, 18.40 Uhr, habe es keinen Kontakt mehr mit den Männern gegeben. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren.
30 Wagner-Mitglieder üben Druck aus, auch ehemaliger Präsident Südossetiens vor Ort
Etwa 30 Wagner-Söldner hätten unter vorgehaltener Waffe Druck ausgeübt und beispielsweise gefragt: „Wo sind unsere Soldaten?“ „Wir haben keine Wahl“, soll ein Soldat seinen Angehörigen berichtet haben. Wer widersprochen habe, sei weggebracht worden und man wisse nicht, was mit diesen Menschen nun passiere. „[...] Sie töten uns, werfen uns ins Feld und das war‘s“, zitiert der Bericht einen Soldaten.
Auch Anatoli Bibilow, der ehemalige Präsident der Region Südossetien, soll vor Ort gewesen sein und Druck gemacht haben. Die Anwesenden habe er als „Feiglinge“ bezeichnet und sie dazu aufgerufen, „ihre Heimat zu verteidigen.“ Im März vergangenen Jahres war bekannt geworden, dass die georgische Separatistenregion Einheiten in den Ukraine-Krieg entsenden will.
Die Wagner-Gruppe steht bereits seit 2021 auf der Sanktionsliste der Europäischen Union, am Freitag fügten die EU-Staaten die Söldnertruppe auch wegen ihrer aktiven Beteiligung am Ukraine-Krieg symbolisch erneut der Liste hinzu. Die Ukraine bereitet sich indes auf eine Frühjahrsoffensive vor. (bme)