Prigoschins Wagner-Gruppe rekrutiert im besetzten Melitopol: „Putins Koch“ gehen Soldaten aus

Die russische Privatarmee Gruppe Wagner versucht angeblich gezielt, Bewohner der besetzten Stadt Melitupol anzuwerben. Das berichtet zumindest der ehemalige Bürgermeister Iwan Fedorow.
Melitopol/Moskau - Gehen der russischen Privatarmee Gruppe Wagner die Soldaten aus? Wie der ukrainische Bürgermeister von Melitopol, Iwan Fedorow, berichtet, versucht die Söldnertruppe, Bewohner seiner von Russland besetzten Stadt im Südosten der Ukraine (Oblast Saporischschja) zu rekrutieren. Das berichtet das US-Portal Newsweek und beruft sich auf ein Interview Fedorows im ukrainischen Fernsehen.
Fedorow behauptete demnach, er habe gehört, dass Wagner Einwohnern seiner Stadt 200.000 russische Rubel (umgerechnet rund 2480 Euro) angeboten hat, um sich dem Kampf der Söldnertruppe in der Stadt Bachmut im Oblast Donezk anzuschließen. Die Aussagen lassen sich allerdings nicht unabhängig überprüfen. Zuletzt häuften sich jedoch Berichte über Probleme von Wagner bei der Rekrutierung von Soldaten.
Britisches Verteidigungsministerium: Hohe Verluste im Ukraine-Krieg stellen Gruppe Wagner vor Probleme
Am Montag berichtete das britische Verteidigungsministerium etwa, dass die Söldnertruppe bei seiner Kriegsführung in der Ukraine in Probleme geraten könnte. Seit Wochen ist es ihnen nicht mehr erlaubt, verurteilte Straftäter direkt aus russischen Gefängnissen anzuwerben. Grund ist ein Streit mit dem russischen Verteidigungsministerium. So muss sich Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin andere Wege suchen, seine Soldaten zu rekrutieren.
Am Freitag hatte Prigoschin im Telegram-Kanal seines Unternehmens Concord verkündet, in 42 Städten der Russischen Föderation insgesamt 58 Rekrutierungszentren eröffnet zu haben. Wie das britische Verteidigungsministerium weiter schreibt, hat Wagner auch an Moskauer Gymnasien Bewerbungsgespräche geführt „und Formulare mit dem Titel ‚Bewerbung eines jungen Kriegers‘ verteilt, um die Kontaktdaten interessierter Schüler zu sammeln.“ Angeblich sollen die neuen Rekruten für Wagner auch nicht nur aus Russland stammen.
Gruppe Wagner: Prigoschin sucht neue Wege, um Rekruten anzuwerben
Wie ferner das auf den Nahen und Mittleren Osten spezialisierte Portal The Media Line berichtet, werden auch Flüchtlinge aus einem palästinensischen Flüchtlingscamp im Libanon angeworben. Bei der Rekrutierung unterstütze die islamistische Terrororganisation Hisbollah. Eine Rekrutierungskampagne unter russischen Staatsbürgern reiche nicht aus, um die enormen Verluste auszugleichen, die Wagner zuletzt erlitten hat, schrieb das britische Verteidigungsministerium in seinem Bericht.
Die Gruppe Wagner kämpft gemeinsam mit der russischen Armee seit Monaten darum, die Stadt Bachmut im Osten der Ukraine einzunehmen. In den erbitterten Schlachten um die Stadt sollen dem britischen Verteidigungsministerium zufolge die Hälfte der Rekruten, die Wagner aus den russischen Gefängnissen angeworben hat, gefallen sein.
Aufgrund der hohen Opferzahlen nehmen Experten der US-amerikanischen Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) an, dass das Vertrauen von Wladimir Putin in die Wagner-Kräfte schwindet. Es werde die Gelegenheit genutzt, Wagner-Truppen absichtlich in dem umkämpften Gebiet einzusetzen. Prigoschin lehnte sich zuletzt immer wieder gegen den Kreml und das offizielle russische Militär auf. Der Kreml verfolgt laut ISW nun das Ziel, „Prigoschin zu schwächen und seine Ambitionen auf größeren Einfluss im Kreml scheitern zu lassen“.
Video: Wagner-Söldner in Bachmut gezielt verheizt?
Wenn Gruppe Wagner in besetzten ukrainischen Städten um Rekruten wirbt: Militär-Experten würde das nicht überraschen
Dass Prigoschin nun angeblich in der russisch besetzten ukrainischen Stadt Melitopol nach Rekruten sucht, kann Militär-Experte Rajan Menon vom Thinktank Defense Priorities in einem Gespräch mit dem US-Portal Newsweek nicht bestätigen. Es überrasche ihn aber nicht. „Wenn Prigoschin will, dass Wagner mitten in den Kämpfen ist, um sein eigenes politisches Ansehen in Russland zu stärken, muss er an neuen Orten rekrutieren“, sagte Menon. „Es sollte uns nicht wundern, wenn er sich entscheidet, sich den von Russland besetzten Teilen der Ukraine zuzuwenden.“ (kb)