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Ukraine-Krieg: Viktor Orbán wird die Nähe zu Putins Russland immer gefährlicher

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Von: Thomas Roser

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Viktor Orban (mittig), Ministerpräsident von Ungarn, besucht die Grenzstationen seines Landes zur Ukraine.
Viktor Orban (mittig), Ministerpräsident von Ungarn, besucht die Grenzstationen seines Landes zur Ukraine. © Anna Szilagyi/dpa

Die EU sanktioniert Russland infolge des Ukraine-Kriegs, doch in Ungarn steht man nicht gänzlich dahinter. Dieser Kurs könnte Viktor Orbán die Wahl kosten.

Budapest – Mit seiner Nähe zu Russland provoziert Ungarn die EU nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine – und die EU verliert zunehmend die Geduld. Selbst die einstigen Weggefährt:innen in Europas konservativer Parteienfamilie EVP vermögen keinerlei Verständnis mehr für den diplomatischen Sonderweg von Ungarns Premier Viktor Orbán aufzubringen.

„Orbán muss sich entscheiden, wo er steht“, warf der deutsche EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) in dieser Woche dem Chef der nationalpopulistischen Fidesz-Partei empört ein „unglaubliches Doppelspiel mit der Ukraine“ vor. Der Grund für seinen Ärger: Das Nato-Mitglied Ungarn will Waffenlieferungen für Kiew über das eigene Hoheitsgebiet nicht zulassen.

Mit der Sorge um die Sicherheit der ungarischen Minderheit in der Ukraine begründet Orbán das erneute Ausscheren aus den im Ukraine-Krieg ungewohnt geeinten Reihen bei der EU. Kritische Stimmen aus dem Inland und Ausland wittern hingegen in seinen seit Jahren sehr engen Banden zu Kremlchef Wladimir Putin den eigentlichen Grund. Orbán und sein Außenminister Peter Szijjarto verdienten von Putin „mehr als nur Orden“, ätzt der polnische EVP-Chef und frühere EU-Ratsvorsitzende Donald Tusk per Twitter: „Sitze im Gazprom-Vorstand wären die angemessene Belohnung für ihre Loyalität.“

Viktor Orbáns Nähe zu Russland: Vorwurf der „Doppelzüngigkeit“

Ungarn dürfe sich „nicht einmischen“ und müsse sich „aus dem Krieg heraushalten“, lautet hingegen das Credo von Orbán: „Wir Ungarn dürfen nicht diejenigen sein, die den Preis für den Krieg zahlen müssen“. Doch die Langmut in der EU für Ungarns Sonderweg beim Umgang mit Russland ist zunehmend erschöpft. Mitten im Wahlkampf fällt seine Nähe zu Moskau auf Orbán und seine Fidesz-Partei wie ein Bumerang zurück.

„Doppelzüngigkeit“ wirft das Oppositionsbündnis „Vereint für Ungarn“ dem Premier vor, den es als „Handlanger Putins“, „Verräter des Westens“ oder „Diener der russischen Interessen“ kritisiert. Nicht nur sein Veto gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, sondern auch der von ihm forcierte Bau eines zweiten Reaktors im Atomkraftwerk Paks durch die russische Rosatom sowie die diplomatische Immunität der Beschäftigten der russischen „Internationalen Investitionsbank“ ist der Opposition ein Dorn im Auge.

Ukraine-Krieg: Viktor Orbán gilt als Freund und Geschäftspartner von Wladimir Putin

Als „Freund, Verbündeter und Geschäftspartner“ sei Orbán an der seit fast zwei Jahrzehnten währenden Offensive Putins „beteiligt“, deren Höhepunkt nun der Krieg in der Ukraine sei, wirft der Oppositionspolitiker Bence Tordai ihm vor. Tatsächlich ist Orbans Lavieren zwischen Ost und West auch im Ukraine-Krieg keineswegs frei von Widersprüchen.

Einerseits trägt das EU- und Nato-Mitglied Ungarn die zuvor hart kritisierten EU-Sanktionen gegen Russland mit und hat bislang mehr als 100.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Andererseits tritt Budapest bei Waffenlieferungen auf die Bremse – und kritisiert weiter die Folgen der Sanktionen.

Ungarns Nähe zu Russland könnte im Wahlkampf zum Problem für Viktor Orbán werden

Leider sei „das erste Opfer der Brüsseler Sanktionspolitik“ die Sberbank in Ungarn, klagte Außenminister Szijjarto nach dem Aus für die heimische Tochter der russischen Bank: „Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, darauf zu achten, dass nicht das ungarische Volk den Preis für den Krieg zahlt.“ Doch das Budapester Pochen auf die nationalen Interessen wirkt in der europaweiten Welle der Solidarität mit der Ukraine merkwürdig deplatziert.

Wie sich der Krieg und dessen Folgen auf die Parlamentswahl am 3. April auswirken wird, ist zwar noch nicht absehbar. Aber der Waffengang hat die zuvor eher brüchigen Oppositionsreihen in ihrer Empörung über Moskau und „Putin-Kumpel“ Orbán geeint. Gleichzeitig scheint Fidesz zunehmend in die Defensive und unter Rechtfertigungsdruck zu geraten. „Der Ukraine-Krieg und die Reaktionen darauf haben bereits ihre Spuren im Wahlkampf hinterlassen“, konstatiert das Webportal hungarytoday.hu. (Thomas Roser)

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