Krieg in der Ukraine: Frankreich wirft Großbritannien „Mangel an Menschlichkeit“ vor

Frankreichs Innenminister erhebt während des Ukraine-Kriegs Vorwürfe gegen Großbritannien. Der Umgang mit Geflüchteten sei unangemessen.
Paris/London – Aktuell fliehen Hunderttausende vor der russischen Armee aus der Ukraine. Die meisten Menschen suchen in den Nachbarländern Schutz vor Putins Krieg, andere versuchen, im Westen Europas Zuflucht zu finden, so auch in Großbritannien.
Doch die Einreise scheint sich schwierig zu gestalten. Berichten zufolge wirft Frankreich dem nur durch den Ärmelkanal getrennten Nachbarn Großbritannien einen „Mangel an Menschlichkeit“ gegenüber Flüchtenden aus der Ukraine vor. In einem Brief an seine britische Kollegin Priti Patel, den die Nachrichtenagentur AFP einsehen konnte, beklagte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin einen „komplett unangemessenen“ Umgang der britischen Behörden mit Kriegsflüchtlingen, die in den vergangenen Tagen im nordfranzösischen Calais angekommen seien und von dort zu Angehörigen in Großbritannien weiterreisen wollten.
Ukraine-Krieg: Frankreich macht Großbritannien Vorwürfe wegen Flüchtender
In den vergangenen Tagen seien 400 ukrainische Flüchtende an Grenzposten in Calais vorstellig geworden, schrieb Darmanin. 150 von ihnen seien aufgefordert worden, nach Paris oder Brüssel zu fahren, um in den dortigen britischen Konsulaten Visa für das Vereinigte Königreich zu beantragen.
Nun forderte Darmanin von Großbritannien, in Calais echte konsularische Dienste anzubieten. „Es ist unerlässlich, dass Ihre konsularische Vertretung – ausnahmsweise und für die Dauer dieser Krise – Visa für die Familienzusammenführung vor Ort in Calais ausstellen kann“, schrieb der Innenminister an seine Kollegin. Es sei „nicht nachvollziehbar“, dass das Vereinigte Königreich im Kontext des Ukraine-Konflikts in der Lage sei, solche Dienste an der polnisch-ukrainischen Grenze anzubieten, nicht aber in seinem direkten Nachbarland Frankreich.
Ukraine-Krieg: Frankreich in Sorge um Flüchtende aus der Ukraine
„Unsere Küsten waren Szenen so vieler Tragödien“, schrieb Darmanin mit Blick auf die zahlreichen Menschen, die jährlich bei dem gefährlichen Versuch sterben, über den Ärmelkanal von Frankreich nach Großbritannien zu gelangen. „Lassen Sie uns nicht diese ukrainischen Familien noch zu ihnen hinzufügen.“
Die Flüchtlingsproblematik am Ärmelkanal belastet die Beziehungen zwischen Großbritannien und Frankreich. Befeuert worden waren die Spannungen durch ein schweres Bootsunglück im November, bei dem 27 Flüchtlinge ums Leben gekommen waren. Paris und London hatten sich damals gegenseitig vorgeworfen, nicht genug gegen Schlepperbanden zu unternehmen.
Nach UN-Angaben sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine mehr als 1,3 Millionen Menschen aus dem Land geflohen. Alleine in Polen sind nach Angaben des Grenzschutzes seit dem Beginn des Kriegs rund 922.400 Flüchtlinge aus dem Nachbarland eingetroffen. Allein am Samstag hätten 129.000 Menschen die Grenze passiert, teilte die Behörde am Sonntag per Twitter mit. (ktho/afp)