Ukraine-Krieg: EU will Geflüchtete besser verteilen
Die EU-Innenminister:innen wollen Geflüchtete aus der Ukraine besser auf die Länder verteilen. Dafür beschließt die EU einen entsprechenden Zehn-Punkte-Plan.
Update vom Montag, 28.03.2022, 20.10 Uhr: Erst drohte Streit, nun gibt es offenbar doch eine Einigung. Denn die Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine soll auf EU-Ebene besser koordiniert werden. Die deutsche Innenministerin hatte bereits im Vorfeld eines Treffens mit ihrem Amtskolleg:innen in Brüssel auf eine gerechtere Verteilung gepocht.
Die EU-Kommission und die französische EU-Ratspräsidentschaft stellten am Montag beim Treffen der EU-Innenminister in Brüssel nun einen entsprechenden Zehn-Punkte-Plan vor. „Die Minister haben heute entschieden, die Koordinierungs- und Solidaritätsbemühungen zu verstärken, um die Flüchtlinge unter den besten Bedingungen aufzunehmen“, heißt es in dem Papier.
Transport der Geflüchteten aus der Ukraine soll besser gesteuert werden
Unter anderem soll der Transport der Geflüchteten innerhalb der EU besser gesteuert werden. Es solle ein Überblick aller Drehkreuze der EU-Staaten geschaffen werden, damit diese miteinander verbunden werden können. Das Verkehrsangebot könne so mit den Kapazitäten zur Aufnahme in Einklang gebracht werden. Dies ist ein zentrales Anliegen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Deutschland hat in Cottbus, Berlin und Hannover Drehkreuze eingerichtet.
Der Zehn-Punkte-Plan sieht zudem vor, dass ein gemeinsames System zur Registrierung der Schutzsuchenden aufgesetzt wird. Die EU-Staaten könnten so besser Informationen austauschen und Missbrauch könne verhindert werden. Bislang werden die Menschen aus der Ukraine nur in nationalen Systemen registriert. Die EU-Kommission will prüfen, wie die finanzielle Hilfe für Aufnahmestaaten ausgebaut werden kann.
Geflüchtete aus der Ukraine: Neuer Index soll Belastung der Länder abbilden
Über eine jüngst von der EU-Kommission eingerichtete Solidaritätsplattform soll die Verteilung der Schutzsuchenden organisiert werden. Länder mit freien Kapazitäten könnten besonders belasteten Staaten Hilfe anbieten. Helfen soll ein neuer Index, der die Belastung der Länder abbilden soll. Berücksichtigt werden sollen etwa die Zahl der Ankünfte sowie der wieder ausgereisten Flüchtlinge sowie die Bevölkerungsgröße. Derzeit stehen EU-Innenkommissarin Ylva Johansson zufolge Polen, Österreich und Tschechien an der Spitze des Index.
Die EU-Kommission sagte außerdem zu, Standardverfahren für die Aufnahme von Kindern zu erarbeiten. Menschenhandel soll bekämpft werden. Dem schwer belasteten kleinen Nicht-EU-Land Moldau soll stärker geholfen werden. Priorität sei, in Zusammenarbeit mit UN-Organisationen am Transfer von Flüchtlingen aus Moldau zu arbeiten. In Deutschland sind bereits erste Flüchtlinge aus dem Land angekommen.
Ukraine-Krieg: EU droht Streit über Flüchtlingsverteilung
Erstmeldung vom Montag, 28.03.2022, 11.34 Uhr: Brüssel – Der Europäischen Union (EU) droht angesichts der Fluchtbewegung aufgrund des Ukraine-Kriegs* neuer Streit über die Verteilung der Schutzsuchenden. Die Innenministerinnen und Innenminister der 27 EU-Staaten beraten am Montag (28.03.2022) ab 14.30 Uhr in Brüssel über das gemeinsame Vorgehen.
Deutschland und Polen hatten sich zuvor mit einem dringenden Hilfsappell an die EU-Kommission gewandt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser dringt auf Quoten für die Flüchtlingsverteilung* innerhalb Europas. Derlei Forderungen hatte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson jedoch bereits eine Absage erteilt.
Ukraine-Krieg: Fast vier Millionen fliehen
Von den mehr als 44 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern haben seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine* nach UN-Angaben bereits mehr als 3,8 Millionen Menschen das Land verlassen. Mehr als 2 Millionen sind allein in Polen angekommen, in Deutschland wurden dem Innenministerium zufolge rund 267.000 Flüchtlinge registriert.
„Man kann mit Sicherheit sagen, dass unsere Länder nun den Großteil der Anstrengungen unternehmen, um Menschen aus der Ukraine aufzunehmen und ihnen Schutz zu bieten“, heißt es in dem Brief Faesers und ihres polnischen Kollegen Mariusz Kaminski an die EU-Kommission. Das Schreiben vom Freitag liegt der dpa vor. „Es liegt auf der Hand, dass unsere Ressourcen und Aufnahmekapazitäten nicht ausreichen werden, um den wachsenden Zustrom von Menschen zu bewältigen.“ Das Treffen am Montag ist bereits die zweite kurzfristig einberufene Krisensitzung der Innenminister seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine am 24. Februar.

Flucht vor dem Ukraine-Krieg: Faeser pocht auf „gerechte“ Verteilung
Faeser sagte der Rheinischen Post (Montag), sie setze auf „eine starke Steuerung, pragmatische Lösungen und eine umfassende Unterstützung der besonders belasteten Nachbarstaaten der Ukraine“. „Hier wird die EU-Kommission eine zentrale Rolle einnehmen müssen“, forderte die SPD-Politikerin*.
Man habe einen „historischen Schulterschluss“ erreicht und in allen EU-Staaten für unbürokratischen, schnellen Schutz von Geflüchteten gesorgt. „Jetzt muss der zweite Schritt folgen: die gerechte Verteilung in der ganzen EU“, betonte Faeser.
Ukraine-Krieg: Herausforderungen der EU-Staaten
Anfang März hatten die EU-Staaten* entschieden, allen Ukrainerinnen und Ukrainern schnell und unbürokratisch Schutz zu bieten. Die große Zahl der Flüchtlinge stellt die Staatengemeinschaft jedoch vor Herausforderungen. Schnelle Lösungen auf europäischer Ebene seien dringend notwendig, schreiben Faeser und Kaminski. Die Zusammenarbeit müsse dahingehend ausgebaut werden, die Flüchtlinge in jene EU-Länder zu bringen, die bereit seien, sie aufzunehmen. Die von der EU-Kommission aufgesetzte Solidaritätsplattform solle bei der Organisation helfen. Flüchtlinge ohne spezifisches Ziel müssten über Länder mit freien Kapazitäten informiert werden.
Dabei fordern Faeser und Kamniski alle EU-Staaten zur Aufnahme der Menschen auf. Die Diskussion über eine verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen hatte die EU-Staaten schon nach der großen Fluchtbewegung 2015/2016 tief gespalten. Eine Reform der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik ist seit Jahren blockiert.
Geflüchtete aus der Ukraine: Kostenpunkt als Problem
Mit Blick auf die Kosten zur Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge heißt es in dem Brief: „Unser Finanzbedarf beläuft sich bereits auf mehrere Milliarden Euro und zusätzliche Unterstützung ist sofort erforderlich.“ Die EU-Kommission müsse an einfachen und flexiblen Finanzierungsmöglichkeiten arbeiten, die zumindest einen Teil der Kosten decken. Dies könne für die ersten sechs Monate ein Pauschalbetrag von 1000 Euro je Flüchtling sein. Die Kosten für den polnischen Staat beliefen sich Schätzungen zufolge für diesen Zeitraum auf mindestens 2,2 Milliarden Euro.
Am Montag soll es nun unter anderem genau darum gehen. Auf der Tagesordnung steht die Frage, wie jene EU-Staaten, die Flüchtlinge aufnehmen, finanziell und materiell unterstütz werden können. Auch die Weiterreise der Flüchtlinge nach der Ankunft in einem EU-Land soll koordiniert werden. Zudem soll es um Unterstützung für das kleine Land Moldau, in dem bereits viele Flüchtlinge angekommen sind, sowie um die Kontrollen an den EU-Außengrenzen und Sicherheitsfragen gehen. (sot mit dpa)