1. Startseite
  2. Politik

Ukraine-Botschafter Makeiev in Frankfurt: „Internationales Recht ist zerstört“

Erstellt: Aktualisiert:

Von: George Grodensky

Kommentare

Goethe-Uni-Präsident Enrico Schleiff (re.) geleitet den ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev zum Podium.
Goethe-Uni-Präsident Enrico Schleiff (re.) geleitet den ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev zum Podium. © Christoph Boeckheler

Der Gesandte der Ukraine diskutierte am Donnerstag mit deutschen und ukrainischen Studierenden an der Goethe-Universität in Frankfurt.

Frankfurt - Vor der Tür des Präsidiumsgebäudes der Goethe-Universität demonstriert ein Grüppchen sozialistischer Studierender an der Goethe-Uni gegen den Botschafterbesuch. Die Hochschule werde so zum Forum für Kriegstreiberei, kritisieren sie. Derweil erklärt Oleksii Makeiev drinnen etwa 120 Studierenden, was er den „Wagenknechts und Schwarzers der Welt“ entgegnen möchte: „Auch unsere Soldaten in den Schützengräben wollen den Frieden, wir müssen aber darum kämpfen.“ Denn: „Wir haben keine Wahl.“ Neun Jahre habe die Welt auf Verhandlungen gesetzt, habe „weggeschaut“, Russland 2014 die Krim annektieren lassen, den Donbass besetzen.

Ukraine-Botschafter scherzt: Sogar im Schützengraben WLAN

Bei allem Ernst der Lage behält Makeiev den Humor. Schleichende Digitalisierung in Deutschland? In der Ukraine gebe es dank Elon Musks Starlink, sogar im Schützengraben WLAN. Einen EU-Beitritt halte er für höchst wünschenswert, die Briten sähen das womöglich anders. Und statt eines Eröffnungs-Statements liest er die Anleitung für den Mediaprojektor vor, die er auf dem Stehpult findet. Ein Scherz. Dann wird er ernst. Er möchte mit den Studierenden ins Gespräch kommen, mit der nächsten Generation, die Europa prägen werde.

Und werben für mehr Hilfe. Manche Menschen berichteten ihm von ihren Ängsten vor Eskalation, sagt Makeiev. Sein Konter: Deutsche Waffen retten in der Ukraine Menschenleben. Etwa, wenn ein Abwehrsystem den Einschlag russischer Raketen abwende. Auch unangenehme Fragen stellt der Botschafter. Etwa, wie Deutschland so abhängig hat werden können von russischem Gas. Oder, ob es eigentlich Proteste von Russlanddeutschen gegen den Krieg gebe. Iranische Demos habe er einige gesehen.

„Wie der bewussten Zerstörung von ukrainischer Kultur entgegen wirken?“, möchte eine Frau wissen. Er treffe sich heute mit der Buchmesse, sagt Makeiev, Pläne schmieden, für mehr ukrainische Literatur und Übersetzungen in Deutschland. Für die Hochschule regt er Institute für Ukrainistik an. Wie der Alltag an ukrainischen Hochschulen aussehe, möchte Tobias Wille wissen, Professor der Politikwissenschaften, der das Podium moderiert. Sie stehen unter Beschuss, sagt der Botschafter. Studierende müssen bei Flugalarm in den Schutzbunker. Mehrmals am Tag.

Ukrainehilfe

223 ukrainische Studierende sind derzeit an der Goethe-Uni eingeschrieben. Die meisten, mehr als 50, studieren Wirtschaftswissenschaften.

Den Goethe-Ukraine-Fonds unterstützen bislang 250 Menschen. Knapp 320 000 Euro sind bislang in Sprachkurse und Lehrmaterialien im Academic Welcome Project sowie Stipendien und Rechtsberatung für Studierende geflossen. Außerdem hat die Uni damit ukrainischen Schüler:innen im Sommer die Abiprüfung ermöglicht. sky

„Internationales Recht ist zerstört“

An der Hochschule von Mykolajiw, einem Ort am Schwarzen Meer, sei eine Rakete ins Institut für Internationales Recht eingeschlagen. Wie sinnbildlich: „Internationales Recht ist zerstört“, sagt Makeiev. Eine Studierende im Exil meldet sich. Zweimal sei ihre Hochschule, die Black Sea National University in Mykolajiw, bombardiert worden. „Ein großer Schmerz in meinem Herzen.“ Sie möchte wissen, was die Exilant:innen tun können, was der russischen Propaganda entgegnen?

„Die eigene Geschichte erzählen“, rät Makeiev. Die „Gräueltaten“ Russlands sichtbar machen. Immerhin seien etwa eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. „Das sind eine Million Botschafterinnen und Botschafter für unser Land“, sagt Makeiev. Ein entsprechendes Signal sendet die virtuelle Ausstellung „Unissued Diplomas“.

Auf der Internetseite www.unissueddiplomas.org/ sind getötete Studierende mit Foto und kurzer Biografie zu sehen, die niemals ihr Diplom in den Händen halten werden. Sie starben an der Front oder im Raketenbeschuss zu Hause.

Auch interessant

Kommentare