Armenien und Aserbaidschan streiten sich vor Putin auf Russisch – der schaut schweigend zu Boden

Die Präsidenten von Armenien und Aserbaidschan liefern sich im Konflikt um Berg-Karabach vor dem Kremlchef ein angespanntes Streitgespräch.
Moskau - Die verfeindeten Kaukasus-Nachbarn Armenien und Aserbaidschan trafen am 25. Mai in Moskau zur Klärung des Berg-Karabach-Konflikts aufeinander. Bei dem trilateralen Treffen unter Vermittlung des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei es zu „guten Fortschritten bei der Normalisierung der Beziehungen“ gekommen, sagte der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan im Anschluss. Zuvor hatten sich Paschinjan und sein aserbaidschanischer Amtskollege Ilham Aliyew vor dem Kremlchef allerdings mehrere Minuten lang auf Russisch Wortgefechte geliefert.
Konflikt um Berg-Karabach-Region sorgt für angespanntes Streitgespräch vor Putin
Die von Russland vermittelten Gespräche fanden vor dem Hintergrund des neu aufgeflammten gewaltsamen Konflikts zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken um die Grenzregion Berg-Karabach statt, eine mehrheitlich von Armenierinnen und Armeniern bewohnten Enklave. Zuletzt war es an der Grenze erneut zu tödlichen Zusammenstößen gekommen, nachdem Aserbaidschan Ende April einen Kontrollpunkt im Latschin-Korridor eingerichtet hatte, der einzigen Verbindungsstraße von Armenien nach Berg-Karabach. Als Begründung nannte Baku, dass Armenien die Route für Waffentransporte nach Berg-Karabach nutze, was Eriwan bestreitet.
Die Regierungschefs der beiden Länder trafen sich mit Kremlchef Putin zum Dreiergespräch. Videos des Treffens zeigten ein mehrere Minuten langes, angespanntes Gespräch zwischen Aliyew und Paschinjan auf Russisch, das Putin zunächst still verfolgte. Die Nachrichtenagentur Reuters wertete diese Interaktion der beiden Ex-Sowjetrepubliken als deutliches Zeichen für die Spannungen zwischen den beiden Nationen. In Einblendungen ist zu sehen, wie der Kremlchef mit angespannter Mimik immer wieder zu Boden blickte. Mittels einer entsprechenden Handgeste beendete Putin das Streitgespräch nach mehreren Minuten.
Armenien zunehmend unzufrieden mit Konfliktvermittlung Moskaus
Aserbaidschan und Armenien streiten seit dem Zerfall der Sowjetunion um Berg-Karabach und führten bereits zwei Kriege um das Gebiet. Nach den jüngsten Kämpfen im Jahr 2020 hatte Russland ein Waffenstillstandsabkommen vermittelt, das Armenien zur Aufgabe großer Gebiete zwang. Moskau ist traditionell der wichtigste Vermittler in dem Konflikt. Eriwan hatte sich zuletzt jedoch zunehmend unzufrieden über die aus seiner Sicht unzureichenden Bemühungen des Kreml geäußert, Armenien gegen die militärische Bedrohung durch Aserbaidschan zu schützen. Moskau ist derzeit stark im Ukraine-Krieg involviert und will zudem seine Beziehungen zur Türkei - Aserbaidschans wichtigstem Verbündeten - nicht belasten.
Bezüglich des aktuellen Konflikts sagte der armenische Regierungschef Paschinjan, Eriwan sei bereit, „alle Verkehrsverbindungen in der Region freizugeben, die durch armenisches Gebiet führen.“ Alijew seinerseits hatte vor den Gesprächen gesagt, es bestehe die Möglichkeit eines Friedensabkommens, da Armenien die umstrittene Grenzregion Berg-Karabach offiziell als Teil Aserbaidschans anerkannt habe. Aserbaidschan erhebe „keine territorialen Ansprüche auf Armenien“, fügte er hinzu.
Putin erklärte nach den Gesprächen, dass sich die Situation „trotz aller noch bestehenden Schwierigkeiten und Probleme in Richtung einer Beilegung des Konflikts“ entwickle. Er kündigte ein weiteres trilaterales Spitzentreffen kommende Woche in Moskau an, „um die verbleibenden Fragen zu klären“, darunter die Wiederaufnahme der Verkehrsverbindungen zwischen den beiden Ländern. Zuletzt hatten auch die EU und die USA die Initiative bei Vermittlungen zwischen den zerstrittenen Ex-Sowjetrepubliken übernommen. Putin sah dies mit Argwohn, da Moskau die Kaukasusregion als russisches Einflussgebiet betrachtet (AFP/bme).