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Entgleisende Züge, brennende Tanks: Was hinter den Attacken in Russland steckt

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Von: Patrick Mayer

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In Russland entgleisen Züge, auf der Krim gehen Öl-Tanks in Flammen auf. Was das mit der Gegenoffensive der Ukraine zu tun hat. Und was unsicher bleibt.

München/Brjansk/Krim - Bei Brjansk werden offenbar Schienen gesprengt. Auf der Krim brennen Öltanks, und kurz vor der Krim-Brücke geht auf dem Festland Russlands ein Treibstofflager in Flammen auf.

Ukraine-Krieg: Auf der Krim brennen Öltanks, in Russland entgleisen Züge

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage ist im russischen Grenzgebiet zur Ukraine ein Güterzug nach einer Explosion entgleist. Unweit der Siedlung Belye Berega, erneut in der Region Brjansk, seien am Dienstagabend (2. Mai) eine Lokomotive und rund 20 Waggons „wegen illegaler Eingriffe in die Arbeit des Eisenbahnverkehrs“ von den Schienen abgekommen, teilte die russische Eisenbahn RZD auf Telegram mit.

Kommt der Ukraine-Krieg jetzt nach Russland? Vielmehr dürfte es sich um gezielte Attacken zur Vorbereitung der großangelegten ukrainischen Gegenoffensive handeln. Eine Frage bleibt: Wo greifen die Ukrainer an? Wo täuschen sie vor?

Ukraine-Krieg: „Unbekannte Sprengkörper“ zerstören Schienen in Russland

Der Gouverneur von Brjansk, Alexander Bogomas, schrieb von einem „unbekannten Sprengkörper“. Verletzte gab es demnach nicht. Bereits am Montag (1. Mai) war in derselben russischen Region ein Zug entgleist, nachdem Schienen gesprengt worden waren (siehe Twitter-Video oben). Auffällig ist: Seit Tagen mehren sich Vorfälle an der russisch-ukrainischen Grenze. Die Attacken betreffen wohl Nachschublinien der russischen Armee für deren Invasion in der Ukraine. Dabei sind nicht nur die Regionen Brjansk und Belgorod betroffen, die an den Nordosten des Nachbarlandes grenzen, sondern auch die 2014 völkerrechtswidrig annektierte Krim.

So ist in der Nacht auf Dienstag unweit der Krim-Brücke ein Großfeuer ausgebrochen. „In der Ortschaft Wolna im Kreis Taman ist ein Treibstoffreservoir in Brand geraten“, teilte der Gouverneur der südrussischen Region Krasnodar, Wenjamin Kondratjew, bei Telegram mit. Der Brand sei als besonders schwer eingestuft worden. In der Siedlung Wolna liegt, direkt an der Straße von Kertsch zum Asowschen Meer, ein großes Umschlagterminal für Öl. Medienberichten zufolge brennt eine Zisterne mit 20.000 Kubikmetern Treibstoff. Damit die russischen Truppen auf der Krim schlicht keinen Sprit mehr bekommen? Weil die Gegenoffensive dort bevorsteht?

Ukraine-Krieg: Angeblich Drohnenangriffe auf russische Treibstofflager

Am Wochenende sind nach Angaben des ukrainischen Militärgeheimdienstes (HUR) zehn Öltanks bei Sewastopol zerstört worden. „Ihr Gesamtvolumen beträgt etwa 40.000 Tonnen“, erklärte Behördensprecher Andrij Jussow. Besagte Explosion auf der Krim soll laut Kiew Folge eines Drohnenangriffs sein. Der von Moskau eingesetzte Gouverneur Sewastopols, Michail Raswoschajew, hatte auf Telegram Fotos brennender Treibstofftanks veröffentlicht. Bereits am 21. März hatte der HUR die angebliche Zerstörung russischer Marschflugkörper durch eine „Explosion“ auf der Halbinsel vermeldet, was sich nicht unabhängig überprüfen lässt.

Der Gouverneur von Sewastopol veröffentlichte auf seinem Telegram-Kanal ein Foto brennender Treibstofftanks auf der Krim.
Der Gouverneur von Sewastopol veröffentlichte auf seinem Telegram-Kanal ein Foto brennender Treibstofftanks auf der Krim. © Sevastopol Governor Mikhail Razvozhaev telegram channel/AP/dpa

Aber: Die Krim, ein Bluff? Zwar haben ukrainische Armee sowie territoriale Verteidigungskräfte laut Bild Zehntausende Kämpferinnen und Kämpfer mobilisiert. Angesichts der riesigen Ausdehnung der Front über geschätzt 2400 Kilometer ist ein Angriff an sämtlichen Teilabschnitten jedoch unwahrscheinlich. Ein Vergleich: Als die ukrainische Armee im Herbst 2022 die Region Cherson im Süden zurückeroberte, täuschte Kiew eine angebliche Offensive in Richtung Donbass vor.

Ukraine-Krieg: Gegenoffensive aus Charkiw in Richtung Luhansk im Donbass?

Diese könnte Hinweisen zufolge diesmal wirklich im Donbass erfolgen - und zwar in einer Art Zangenbewegung. Konkret: Im Nordosten von Charkiw aus nach Luhansk, auch, um russische Wagner-Söldner bei Bachmut aufzureiben. Somit könnte zudem der Nachschub für prorussische Separatisten abgeschnitten werden.

Andererseits im Süden von Cherson aus über Melitopol nach Saporischschja, um das besetzte Atomkraftwerk (AKW) einzunehmen. Dort haben russische Besatzer laut britischem Verteidigungsministerium Stellungen auf Dächern des AKWs errichtet. Die Krim wäre bei diesem Szenario außen vor.

Ein weiteres Indiz für diese These: Das ZDF berichtete von intensiven Befestigungsarbeiten der russischen Armee in den Regionen Saporischschja und Luhansk. Satellitenbildern zufolge wurden Hunderte Kilometer Schützengräben ausgehoben, kombiniert mit „Drachenzähnen“ aus Beton, um Panzer aufzuhalten. Das Hinterland von Luhansk wurde demnach vereinzelt attackiert.

Ukraine-Krieg: Russische Verteidigungslinien nahe Sumy und Charkiw entdeckt

Wie zudem die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) unter Berufung auf Kartenmaterial der Washingtoner Denkfabrik „American Enterprise Institute“ schreibt, haben US-Analysten in Grenznähe zu den ukrainischen Gebieten Sumy und Charkiw Verteidigungslinien entdeckt. Was ebenfalls auf eine Gegenoffensive die russische Grenze entlang mit Stoßrichtung Luhansk schließen ließe. Jüngste Angriffe auf russische Infrastruktur bei Brjansk passen zu diesem Ansatz.

Die Stadt mit ihren mehr als 400.000 Einwohnern liegt nördlich der Grenze von Sumy und Charkiw. Will die Ukraine ihren Streitkräften hier den Rücken freihalten? Bei Belgorod, gegenüberliegend von Charkiw (rund 1,4 Millionen Einwohner), wurden wohl gezielt russische Linien angegriffen.

Bereit für die Gegenoffensive: Ein britischer Challenger-2-Kampfpanzer, der der ukrainischen Armee übergeben wurde.
Bereit für die Gegenoffensive: Ein britischer Challenger-2-Kampfpanzer, der der ukrainischen Armee übergeben wurde. © IMAGO / Cover-Images

Ukraine-Krieg: Offenbar russische Stellungen an Grenze bei Belgorod angegriffen

So veröffentlichte die Bild ein Video, das die Bombardierung einer Stellung auf russischem Territorium zeigen soll. Ein ukrainischer Militärblogger erklärte dazu: „Die ukrainische Artillerie hat die Ausrüstung und das Personal der Besatzer bearbeitet, die von der Aufklärung des 4. Charkiwer Grenzschutzkommandos entdeckt wurden und neue Stellungen eingerichtet haben. Ort: etwa 1,3 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt.“

Angriffe, damit die ukrainische Armee auf eigenem Boden mit gelieferten westlichen Kampfpanzern (laut Nato 230 plus 1550 gepanzerte Fahrzeuge) offensiv operieren kann? (pm)

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