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Wird die Ukraine nach „Nuklearwaffen“ greifen? Experten-Podcast um Masala kommt zu düsterem Fazit

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Von: Florian Naumann

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Wie lässt sich in der Ukraine und Europa dauerhaft Friede schaffen? Eine schwungvolle Podcast-Debatte mit Experten-Promi Carlo Masala findet Probleme.

Berlin/München - Noch immer tobt der Ukraine-Krieg nahezu ungebremst - die aktuellen Debatten drehen sich um neue Offensiven der Ukraine, nicht um Waffenruhen. Trotzdem hat die Expertenrunde des Podcasts „Sicherheitshalber“ den Blick in die Zukunft gewendet und die Bedingungen für stabilen Frieden in der Ukraine und Europa diskutiert.

Der auch vom TV-Sender Phoenix ausgestrahlte Talk unter anderem mit den Politologen Carlo Masala und Frank Sauer von der Bundeswehr-Uni München kam dabei zum wenig optimistischen Fazit: Am Ende könnte nukleare Aufrüstung stehen - auch in der Ukraine, womöglich auf eigene Faust Kiews.

Wie endet der Ukraine-Krieg?

Masala schilderte den Zuhörern drei mögliche Optionen für den Ausgang des russischen Angriffskriegs in der Ukraine: „Die Ukraine gewinnt, Russland gewinnt, oder die Situation, wie wir sie jetzt haben, zieht sich noch über Jahre hinweg“, sagte er. Schon jetzt müsse man aber Friedensverhandlungen vorbereiten - und auch Perspektiven für eine europäische Friedensordnung. Masala stimmte auf zähe Gespräche ein: „Das werden die schwierigsten, aber auch die längsten Verhandlungen werden, die wir seit Jahrzehnten gesehen haben, bei einem zwischenstaatlichen, aber auch bei einem Bürgerkrieg“, sagte er.

Nötig seien vermutlich kleinteilige Verhandlungen, unter Führung der USA und von China. Der „größte Klopper“ seien aber die Präsidentschaftswahlen in den USA, betonte Masala. „Wie ersetzen wir die amerikanische Präsenz, mit Blick auf eine mögliche Abschreckung Russlands, aber auch mit Blick auf Sicherheitsgarantien für die Ukraine?“, laute schon jetzt eine Hauptfrage.

Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine - was passiert dann?

Wie aber lässt sich Russland praktisch von einem erneuten Angriff abschrecken? Die Ukraine brauche das „modernste Militär in dieser Region, massiv aufgerüstet und ausgerüstet“, erklärte Masala. Spöttisch beurteilte er Rufe nach Sicherheitsgarantien aus Deutschland - „womit denn, mit was denn?“ Die Ukraine müsse selbst abschreckend wirken - „zugleich muss es einen Vertrag geben mit den Vereinigten Staaten über nukleare Sicherheitsgarantien.“

„Wir brauchen Training, Ausbildung und Waffen, um die Ukraine insgesamt zu so einer Art Igel zu machen, mit vielen, vielen Stacheln, wo keiner hingehen will und nochmal reinbeißen.“

Politologe Frank Sauer zeichnet im Podcast „Sicherheitshalber“ den Weg zu einem dauerhaften Frieden für die Ukraine.

Waffenlieferungen müssten über die aktuelle Situation hinausgehen, betonte auch Universitäts-Kollege Sauer. „Wir brauchen Training, Ausbildung und Waffen, um die Ukraine insgesamt zu so einer Art Igel zu machen, mit vielen, vielen Stacheln, wo keiner hingehen will und nochmal reinbeißen.“

Selbst Nato-Artikel 5 werde der Ukraine bei einem höchst hypothetischen Beitritt nicht so viel bringen, warnte die Politikwissenschaftlerin Ulrike Franke vom Thinktank European Council on Foreign Relations. Der Westen habe bereits eine sehr klare Message gesendet. Auch die EU-Beistandsklausel werde im Zweifelsfall womöglich nicht für weiterreichende Unterstützung sorgen, war sich die Runde sicher. „Auf all die Dinge ist kein Verlass“, mahnte auch Sauer - womöglich nehme man das auch in Kiew wahr. Die Mitdiskutanten nahmen es wortlos zur Kenntnis. Ein „Schweigen der Ratlosigkeit“ attestierte auch Journalist und Militärexperte Thomas Wiegold.

Nach dem Ukraine-Krieg: Wird Selenskyj nach Atomwaffen greifen?

Sauer zog Schlüsse aus Zweifeln an westlichen Sicherheitsgarantien für die Ukraine. „Die Ukraine will natürlich in die Nato. Würde die Nato eine geteilte Ukraine aufnehmen?“, fragte er rhetorisch. „Was macht die Ukraine dann unter Umständen? Sie beschafft sich Nuklearwaffen.“ Vielleicht werde man irgendwann vor dem Punkt stehen, an dem die Ukraine das Nichtverbreitungsregime ignoriere.

Die Ukraine wolle aber auch die Unterstützung des Westens, wandte Politikwissenschaftlerin Ulrike Franke ein. „Weißt du, was wertvoller ist? Nuklearwaffen“, entgegnete Sauer. Sogar Unterstützung der USA sei aber nicht auszuschließen, assistierte Masala - ansonsten müsse sich die Ukraine bei Pakistan oder Nordkorea bedienen. Mit dem größten AKW Europas in Saporischschja gebe es auch genügend Material, fügte Wiegold hinzu.

Auch in Mitteleuropa könnte Aufrüstung ein Thema werden, meinte die „Sicherheitshalber“-Runde: Sollte die Verlegung von russischen Atomwaffen nach Belarus Realität werden, könne eine Diskussion darüber aufkommen, zusätzliche Nuklearwaffen in Westeuropa oder Deutschland stationieren, erklärte Sauer. Auch Mittelstreckenraketen seien denkbar, fügte Masala hinzu. Er rechnete auch damit, dass die Nato ihre „Grundakte“ brechen wird: So könnten etwa in Litauen dauerhaft Nato-Truppen stationiert sein - auch aus Deutschland. Die Nato-Grundakte sei ein „totes Papier“. Diese hatte die Stationierung von Atomwaffen in neuen Mitgliedsstaaten ausgeschlossen und Truppen-Stationierungen begrenzt.

Russland nach dem Ukraine-Krieg: Sorge um Moldawien und Georgien - und keine schnelle Lösung

Ohne klare Lösung blieb die Debatte über den Umgang mit Russland. Mann müsse zumindest „Sanktionen aufrechterhalten, damit sich das Heer nicht regenerieren kann“, forderte Masala mit Blick auf Putins Armee - was Moderator und Mitdiskutant Wiegold an den „Versailler Vertrag“ erinnerte, der Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg unter anderem am Aufbau einer angriffsfähigen Wehrmacht hindern sollte, teils aber auch als Mitgrund für das Erstarken der Nationalsozialisten betrachtet wird. „Deutschland wurde faschistisch, Russland ist schon faschistisch!“, grätschte Masala dazwischen. Ohnehin war sich die Runde aber einig, dass Versaille nicht „kausal“ für die NS-Diktatur war.

„Im Prinzip sind die... in Neukölln würde man sagen ‚Du Opfer‘.“

Politologe Carlo Masala warnt vor der Wehrlosigkeit Georgiens und Moldawiens bei einem russischen Angriff

Trotzdem blieb auch die Frage nach Sanktionen bei einem Waffenstillstand in der Podcast-Runde umstritten. Ein „Anreiz“ für Verhandlungen sei nötig - und dabei könne es nicht nur um Wiederaufnahme der Lieferung von „Gummibärchen aus Bonn“ gehen, argwöhnte Wiegold. Sauer forderte „Snapback-Sanktionen“: Eine teilweise Rücknahme - gekoppelt mit klaren Mechanismen im Falle einer erneuten Aggression aus Russland.

Große Sorgen machten nicht nur Masala auch postsowjetische Staaten abseits der Ukraine: Georgien und Moldawien könnten „schneller von den Russen eingenommen werden können, als wir Piep sagen können“, warnte er. „Im Prinzip sind die... in Neukölln würde man sagen ‚Du Opfer‘.“ Als Lösung schälte die Runde eine US-amerikanische „Garnison“ in den Ländern heraus, räumte aber ein: Die werde das Land angesichts der politischen Debatten in Washington wohl kaum einrichten wollen. Am Ende werde sich Europa selbst stärker um seine Sicherheit kümmern müssen - was es aktuell nicht könne. „Das ist ein optimistisches Fazit“, scherzte Masala. (fn)

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