Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes teilte auf Anfrage mit: „Gegenüber dem Auswärtigen Amt wurde eine Abberufung des Botschafters bislang nicht notifiziert.“ Melnyk hatte sich nicht erst seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine als scharfer Kritiker der Bundesregierung einen Namen gemacht. Zuletzt aber geriet er selbst massiv in die Kritik wegen Äußerungen über den ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Stepan Bandera. Selenskyj wechselte zudem den Chef der Regionalregierung im umkämpften südukrainischen Cherson aus. Der Sonntag ist für die Ukraine der 137. Kriegstag seit Beginn der russischen Angriffs Ende Februar.
Erstmeldung: Kiew/Berlin – In der Ukraine wird insbesondere seit dem Regierungssturz von 2014 ein Kult um Stepan Bandera und Vertreter der von ihm geführten Organisation „Ukrainischer Nationalisten (OUN)„ betrieben. Bandera gilt als maßgeblich verantwortlich für die Ideologie des radikalen Flügels der Organisation. Hunderte Straßen wurden nach ihm und anderen „OUN“-Vertretern benannt.
Bewiesen ist, dass Bandera 1940 und 1941 einen Plan vorbereitete, „nach dem er der Führer eines ukrainisch-faschistischen Staates werden sollte. Dieser Staat sollte von Juden, Polen, Russen und politischen Feinden gesäubert werden“, schreibt der Historiker Grzegorz Rossoliński-Liebe auf ukraineverstehen.de. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk sieht das anders und verweist Kritik an ihm in das Reich russischer Propaganda. So erst kürzlich im Interview-Format „jung und naiv“: „Das ist das Narrativ, das die Russen bis heute durchsetzen, und das in Deutschland, in Polen und auch in Israel Unterstützung findet“, erklärte Melnyk. Und weiter sei Bandera „kein Massenmörder von Juden und Polen“ gewesen. Dafür gebe es keine Belege.
Kritik erntete er dafür nicht nur in den sozialen Medien. Nun hat sich auch das ukrainische Außenministerium von Melnyks Äußerungen distanziert. „Die Meinung des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk, die er in einem Interview mit einem deutschen Journalisten ausgedrückt hat, ist seine persönliche und gibt nicht die Position des ukrainischen Außenministeriums wider“, teilte die Behörde in der Nacht zum Freitag auf ihrer offiziellen Webseite mit.
Das Außenministerium dankte im Statement, das in englischer Sprache verfasst wurde, zudem Warschau für die derzeitige „beispiellose Hilfe“ im Krieg gegen Russland. Wörtlich heißt es darin: „Wir sind überzeugt, dass die Beziehungen zwischen der Ukraine und Polen derzeit auf ihrem Höhepunkt sind.“ In Polen war Melnyks Haltung, der als Botschafter dem Außenministerium unterstellt ist, auf Kritik gestoßen. Melnyk selbst, der ansonsten auf Twitter sehr aktiv ist, hat bislang keine weitere Stellung bezogen. (ktho/dpa)