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Uganda - ein Vorbild in der Flüchtlingspolitik

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Von: Jennifer Bose

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Nur wenige kommen über das Mittelmeer nach Europa.
Nur wenige kommen über das Mittelmeer nach Europa. © dpa

Das afrikanische Land Uganda hat mehr Flüchtlinge als Deutschland aufgenommen. Dennoch bekommen Migranten dort sofort ein Arbeitsrecht. Der Gastbeitrag.

Flüchtlingskrisen rufen die besten und gleichzeitig schlimmsten Seiten des Menschen hervor. In Uganda lernte ich vor ein paar Wochen unzählige südsudanesische Frauen und Kinder kennen, die ihre Familienmitglieder verloren haben, deren Häuser niedergebrannt wurden und die noch immer in ständiger Angst vor Mord und Vergewaltigung leben. Auf der anderen Seite begegnete ich der Großzügigkeit der ugandischen Gastgemeinden, die ihre Nachbarn mit offenen Armen begrüßen und ihr Land, ihre Ressourcen und ihre wenigen Sozialdienstleistungen mit ihnen teilen.

Welle der Solidarität in Deutschland

Die Frage „aufnehmen oder ablehnen“ stellte sich von Spätsommer 2015 an auch in Deutschland, als zunächst eine riesige Welle der Solidarität unser Land bewegte. Doch anders als in Uganda spiegelt sich diese Willkommenskultur nicht in der Flüchtlingspolitik von Bund und Ländern wider. Während Flüchtlinge in Uganda ein sofortiges Arbeitsrecht und Land von der Regierung erhalten, fehlt es ihnen in Deutschland oft an Unterstützung.

Laut des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stand die Gesamtzahl der Erstanträge auf Asyl Ende 2016 bei knapp über 720.000 Menschen. Das ist weniger als ein Prozent der deutschen Bevölkerung. In Uganda leben nur halb so viele Menschen wie in Deutschland. Das afrikanische Land beherbergt dennoch über 1,3 Millionen Flüchtlinge.

Allein eine Million davon kommen aus dem Südsudan. Von einer Obergrenze hat noch niemand geredet. Oft wird der Eindruck erweckt, dass alle Flüchtlinge nach Europa wollen. Dabei bleiben 80 Prozent der Flüchtlinge in ihren oft selbst chronisch armen Heimatregionen, wo sie sich vielleicht nicht ganz so fremd vorkommen.

Ein Gefühl, das Deutschland und Uganda eint, ist die Ungewissheit darüber, ob ein Ende dieser langwierigen Krisen in Sicht ist. In Uganda blickten viele auf den jüngsten Solidaritätsgipfel für Flüchtlinge in der Landeshauptstadt Kampala und erhofften sich, Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Doch nur 18 Prozent der angestrebten 1,7 Milliarden Euro Hilfe für die nächsten Jahre konnten gesichert werden. Diese Lücke hat heftige Konsequenzen.

In den ugandischen Flüchtlingssiedlungen, in denen Flüchtlingsorganisationen wie Care akute Hilfe leisten, konnte ich das wachsende Auftreten von sexueller Ausbeutung bezeugen. Minderjährige Mädchen und Frauen sind in Camps wie Imvepi und Bidi Bidi, dem derzeit weltgrößten Flüchtlingscamp, dazu gezwungen, ihren Körper im Tausch für einige Päckchen Mehl, Bohnen oder Hygieneprodukte zu verkaufen. Sie können sich schlicht sonst kein Essen für ihre Familien leisten. Dies verstößt gegen jegliche Form von sozialer Gerechtigkeit und Selbstbestimmung, insbesondere da die meisten von ihnen in ihrem Heimatland und auf der Flucht unvorstellbare Grausamkeiten erleben mussten.

Globale Lösung für die Flüchtlingskrise

Auch deshalb muss eine Lösung für Flüchtlingskrisen weltweit gefunden werden. Care unterstützte den Aufruf des Solidaritätsgipfels, dem Konflikt im Südsudan entschieden mit internationalem Druck entgegenzutreten. Dazu gehört eine sofortige Strafverfolgung von sexueller Gewalt als Kriegswaffe. Frauenkörper sind weltweit zu Kampffeldern zwischen Soldaten und Rebellen geworden und wir können und dürfen diese Menschenrechtsverbrechen nicht weiter akzeptieren.

Trotz der Ungewissheit über die Zukunft gibt es bisher keine massiven Einschränkungen, unter denen Deutschland leidet. Im Gegenteil: Nach Einschätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) kann sich das Bruttoinlandsprodukt durch eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt bis 2020 um fast 90 Milliarden Euro erhöhen; dies liegt weit über den geschätzten 20 Milliarden Euro, die zur Bewältigung der Flüchtlingskrise pro Jahr ausgegeben werden.

Das ist mitunter einer der Gründe für die offene Flüchtlingspolitik Ugandas. Laut des Leiters des Bidi-Bidi-Flüchtlingslagers erhofft sich das Land, von dem Zuzug der Flüchtlinge wirtschaftlich zu profitieren. Neue Straßen, Krankenhäuser und Schulen – das sei ein positiver Nebeneffekt. Es ist wichtig, dass geflohene Menschen Sicherheit und eine Grundversorgung erhalten.

Gleichzeitig muss die internationale Gemeinschaft ihre Anstrengungen zur Lösung von Konfliktursachen in den Herkunftsländern ausweiten. Das ist maßgeblich, damit Ugandas fortschrittliche Asyl- und Flüchtlingspolitik ein Vorbild bleibt, statt durch die Aufnahme von immer mehr Menschen und immer weniger zur Verfügung gestellten Ressourcen zu einer weiteren Krise zu werden.

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