Erdoğan beschimpft Herausforderer Kılıçdaroğlu als „Säufer“ – der attackiert ebenfalls
AKP-Chef Erdoğan wettert vor Hunderttausenden in Istanbul gegen Kılıçdaroğlu – doch nicht nur der Ton wird vor der Türkei-Wahl rauer.
Istanbul – Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sich noch nie gescheut, seine politischen Gegner zu rhetorisch zu attackieren. Doch eine Woche vor der Türkei-Wahl am 14. Mai wird sein Ton deutlich ausfallender: Am Sonntag beschimpft er vor Hunderttausenden Anhängern in Istanbul Kemal Kılıçdaroğlu und sagte, dieser könne so viel trinken wie er wolle, das Volk werde das Land nicht einem „Säufer und Betrunkenen“ überlassen.
Er warf dem Oppositionsführer zudem einmal mehr vor, mit „Terroristen“ zusammenzuarbeiten. Während des Wahlkampfs äußerte er sich außerdem wiederholt LGBT-feindlich und machte Teilen der Opposition den Vorwurf, sich für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen und Transmenschen auszusprechen.
Türkei-Wahl 2023: Erdogan-Herausforderer ruft zum Machtwechsel auf
Umfragen zufolge ist der Ausgang der Wahlen noch völlig offen. Kemal Kılıçdaroğlu rief am Samstag im Stadtteil Maltepe seine Zuhörer dazu auf, „eine autokratische Führung mit demokratischen Mitteln auszuwechseln.“ Er bezeichnete einen Regierungswechsel als „Geschenk an die Weltpolitik“ in der Türkei.
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Er kritisierte Äußerungen von Regierungspolitikern, die einen Wahlsieg der Opposition mit einem Putsch gleichsetzten. „Das zeigt, dass sie nicht an Demokratie glauben“, sagte er. „Was sie auch tun, die Stimmen des Volkes sind wertvoll und das müssen sie akzeptieren.“ Kılıçdaroğlu tritt als gemeinsamer Kandidat für eine Allianz aus sechs Oppositionsparteien unterschiedlicher Lager an.
Türkei-Wahl 2023: Wohl Kopf-an-Kopf-Rennen mit Kılıçdaroğlu
Gewinnt keiner der Kandidaten in der ersten Runde die absolute Mehrheit, kommt es am 28. Mai zu einer Stichwahl. Der Ausgang gilt als richtungsweisend für die Zukunft des Landes mit rund 85 Millionen Einwohnern. Kritiker fürchten, dass die Türkei vollends in die Autokratie abgleiten könne, sollte Erdoğan gewinnen. Seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 hat der amtierende Präsident so viel Macht wie noch nie.
Trotzdem könnte es für den amtierenden Präsidenten eng werden: Der Wahlkampf steht im Zeichen einer Wirtschaftskrise und der schweren Erdbeben im Februar mit Zehntausenden Toten in der Südosttürkei. Auch fiel er krankheitsbedingt während des Wahlkampfs zeitweise aus.

Türkei-Wahl 2023: Istanbul-Bürgermeister Imamoğlu
Die Opposition beklagte unterdessen, dass die Behörden versuchten, einen für Sonntagabend geplanten Wahlkampfauftritt des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoğlu im osttürkischen Erzurum zu verhindern. Er sei mit Steinen beworfen worden, dabei seien alle Scheiben des Wahlkampfbusses zerbrochen, teilte ein Mitarbeiter mit. „Wir mussten das Gebiet zur Sicherheit unserer Bürger verlassen.“ Imamoğlu von der größten Oppositionspartei CHP soll im Falle eines Wahlsieges Vizepräsident werden. (dpa/eike)