1,5 Millionen Wahlberechtigte: Die Türkei-Wahl könnte in Deutschland entschieden werden
Die Türkei-Wahl steht kurz bevor, es wird ein enges Rennen erwartet. Präsident Erdogan zählt auf die Wahlberechtigten im Ausland – auch in Deutschland.
Berlin/Ankara – In der Frage um die Wiederwahl des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan können auch Hunderttausende Türk:innen in Deutschland mitentscheiden. Rund 1,5 Millionen Menschen in der Bundesrepublik dürften für die Parlaments- und Präsidentenwahlen ihre Stimmen abgeben, sagte Bülent Tezcan von der größten Oppositionspartei CHP unter Berufung auf die Wahlbehörde der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Die Wahlen finden in der Türkei am 14. Mai statt. Türkische Staatsbürger:innen im Ausland dürfen bereits ab kommenden Donnerstag (27. April) abstimmen. Insgesamt sind rund 64 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Bei den vergangenen Präsidentenwahlen 2018 hatten rund 65 Prozent in Deutschland für Erdogan gestimmt. Damit schnitt er in Deutschland deutlich besser ab als im Gesamtergebnis (rund 53 Prozent).
Bei der Türkei-Wahl im Mai wird ein knapper Ausgang erwartet. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu hat Umfragen zufolge gute Chancen, Erdogan nach 20 Jahren an der Macht zu schlagen. Wer die Mehrheit im Parlament mit seinen 600 Abgeordneten gewinnt, ist noch nicht absehbar. Der Präsident hat seit der Einführung eines Präsidialsystems 2018 weitreichende Befugnisse, das Parlament ist dagegen geschwächt.

Türkei-Wahl: Erdogan zählt auf türkische Bevölkerung im Ausland
Im Falle eines knappen Resultats könnten die 1,5 Millionen türkischen Wähler:innen in Deutschland den Ausschlag geben. In Deutschland sind türkische Wahlkampfauftritte rechtlich möglich, wurden in der Vergangenheit jedoch mehrfach untersagt. Als „Bildungsveranstaltungen“ deklariert, versuchten bereits mehrere Abgeordneten der Erdogan-Partei AKP die Untersagungen zu umgehen.
Erdogan hatte sich vergangene Woche in einer Ansprache explizit an Wähler:innen im Ausland gerichtet und behauptet, es sei seiner Regierung zu verdanken, dass die türkische Bevölkerung im Ausland „mit erhobenem Haupt“ leben könnten, weil die Türkei hinter ihnen stehe. Er rief die Wähler:innen auf, für ihn zu stimmen, damit dies so bleibe.
Die Wahlen gelten als Bewährungsprobe für Erdogan, der seit 20 Jahren an der Macht ist. Die Türkei kämpft neben massiver Inflation mit hoher Arbeitslosigkeit. Nach den schweren Erdbeben Anfang Februar war zudem Kritik am Krisenmanagement der Regierung laut geworden. Umfragen zufolge muss Erdogan um seine Wiederwahl bangen. Bei einem Auftritt in der Hauptstadt Ankara verbat er sich Kritik am politischen System, räumte aber indirekt auch Mängel ein. Man werde das Präsidialsystem „restaurieren“, sagte er. (nak/dpa)