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Hagia Sophia gegen Atatürks Grabmal: Erdogan und Kilicdaroglu schließen Wahlkampagnen ab

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Von: Bedrettin Bölükbasi

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Die türkischen Präsidentschaftskandidaten haben ihre Wahlkampagnen abgeschlossen: Recep Tayyip Erdogan mit einem Gebet in der Hagia Sophia und Kemal Kilicdaroglu im „Anitkabir“, dem Grab von Staatsgründer Atatürk.
Die türkischen Präsidentschaftskandidaten haben ihre Wahlkampagnen abgeschlossen: Recep Tayyip Erdogan mit einem Gebet in der Hagia Sophia und Kemal Kilicdaroglu im „Anitkabir“, dem Grab von Staatsgründer Atatürk. © Twitter/@RTEdijital/@bpthaber

Monatelang haben Erdogan und Kilicdaroglu Wahlkampf für die Wahl in der Türkei gemacht. Ein Tag zuvor haben sie ihre Kampagnen abgeschlossen: Auf ziemlich unterschiedliche Weise.

Istanbul/Ankara – Nun ist es so weit: Die Türkei wählt am heutigen Sonntag (14. Mai) ihren neuen Präsidenten. Erstmals ist Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan nicht klarer Favorit bei einer Wahl. Er und sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu, dem gute Chancen bei der Türkei-Wahl 2023 eingeräumt werden, kommen dabei aus unterschiedlichen politischen Richtungen, was ein Tag vor der Wahl besonders deutlich wurde.

Türkei-Wahl: Erdogan besucht Hagia Sophia für letztes Gebet vor Abstimmung

Am Samstag (13. Mai) schlossen Erdogan und Kilicdaroglu ihre Wahlkampagnen jeweils mit symbolischen Besuchen ab. Erdogan, Chef der islamisch-konservativen AKP, besuchte die Hagia Sophia, um dort sein letztes Abendgebet vor den Wahlen zu verrichten. Die ursprünglich von den Byzantinern als Kirche erbaute Hagia Sophia wurde nach der osmanischen Eroberung von Istanbul durch Sultan Mehmed II. in eine Moschee umgewandelt. 1935 wurde ihr von der Türkischen Republik jedoch der Status eines Museums verliehen.

Das sollte sich 2020 ändern: Erdogan sorgte dafür, dass die Hagia Sophia wieder zur Moschee wurde. Damit hatte er das erreicht, was Jahrzehnte lang als eines der größten Ziele der konservativen Kräfte in der Türkei galt. Denn für sie ist die Hagia Sophia ein Symbol der islamischen Eroberung Istanbuls. Insofern habe Erdogan „den Willen von Sultan Mehmed“ wiederhergestellt, hieß es damals. Die AKP betrachtet die Umwandlung der Hagia Sophia als eines ihrer größten Errungenschaften.

Dass Erdogan jetzt die Moschee besuchte, um dort für einen Sieg bei den Wahlen zu beten, faszinierte und konsolidierte seine Anhänger. Um Erdogan beim Abendgebet zu begleiten, versammelten sich tausende Menschen in und außerhalb der Hagia Sophia. Nach dem Gebet rezitierte Erdogan Passagen aus dem Koran, die heilige Schrift des Islam und verließ schließlich unter „Allahu Akbar“-Rufen das Gebetshaus. Dutzende Videos im Netz zeigten eine große Masse in der Hagia-Sophia. Es gab auch Kritik: Viele warfen Erdogan vor, Religion immer wieder für politische Zwecke zu missbrauchen.

Türkei-Wahl: Oppositionskandidat Kilicdaroglu am Mausoleum von Staatsgründer Atatürk

Auch beim Oppositionskandidaten ging es am Ende der Wahlkampagne leidenschaftlich zu. Kilicdaroglu, der Chef der von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk gegründeten größten Oppositionspartei CHP, besuchte das Grab von Atatürk, das sogenannte „Anitkabir“ in Ankara. Zusammen mit Vertretern der Partei und unter den Augen seiner Anhänger lief er mit Blumen in der Hand zum Mausoleum des Staatsgründers.

Er legte die Blumen am Grab Atatürks ab und hielt eine Schweigeminute zu Ehren des Staatsgründers. Schließlich unterhielt er sich am „Anitkabir“ mit seinen Anhängerinnen und Anhängern. Sie umarmten ihn, einige mit Tränen in den Augen, und fragten den Oppositionskandidaten nach Fotos.

Als er am „Anitkabir“ ankam, riefen mehrere Kinder begeistert: „Da ist er, er ist wirklich dort, ich habe ihn gesehen!“ Nach seinem Besuch veröffentliche Kilicdaroglu ein Video auf Twitter, in dem die Zurufe der Kinder zu hören sind. „Ah ihr Kinder, sie haben es mir jetzt gezeigt, ich habe eure Stimmen gehört und gemeckert, wie ich euch nur verpasst habe.“ Er sei „sehr, sehr aufgeregt“, so Kilicdaroglu in seinem Beitrag.

Kein Wunder, dass er aufgeregt ist: Er könnte die Ära Erdogan, die seit 21 Jahren andauert, durchaus beenden. Viele Umfragen sehen ihn vorne. Es könnte jedoch auch zu einer Stichwahl in einer zweiten Runde kommen. Jedenfalls zeigen die letzten Besuche von Erdogan und Kilicdaroglu, wie unterschiedlich sie sind. Während der Oppositionskandidat für säkulare Werte steht und die Republik wieder nach der Vorstellung Atatürks richten will, repräsentiert Erdogan eine tiefe, religiöse Sichtweise auf die Zukunft des Landes. Am Sonntagabend wird sich zeigen, was beim Volk beliebter ist. (bb)

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