USA nennen ihn „Terrorist“: PKK-Promi führt in Deutschland Türkei-Wahlkampf

Auch in Deutschland läuft der Wahlkampf für die Türkei-Wahl. Dabei geht es nicht nur um Erdogans Partei. Auch die Grüne-Linkspartei wirbt für die Stimmen in Europa.
München – Die kritische Türkei-Wahl 2023 rückt näher. Für Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan könnte es am 14. Mai eng werden, doch ein Sieg der Opposition ist noch alles andere als sicher. Erwartet wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Indes schwappt der Wahlkampf auch nach Deutschland. Nicht nur Erdogans islamisch-konservative AKP will Stimmen ergattern. Auch die pro-kurdische Yesil Sol Parti (YSP, zu Deutsch: Grüne-Linkspartei) macht Werbung auf Veranstaltungen – mit teils erstaunlichen Rednern.
Türkei-Wahl: Wahlkampf erstreckt sich auf Deutschland – 1,5 Millionen Wahlberechtigte
Die Grüne-Linkspartei (YSP) ist dabei gewissermaßen ein Ausweichplan der pro-kurdischen HDP, die von einem Verbot bedroht ist. Die türkische Justiz wirft der Partei Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vor. Um die Gefahr umgehen zu können, gründete die HDP vor kurzer Zeit die YSP, mit der sie nun in der Wahl antreten wird.
Bei der Türkei-Wahl sind auch türkische Staatsbürger mit ausländischem Wohnsitz wahlberechtigt. Für diese rund drei Millionen Wahlberechtigten wird die oberste türkische Wahlbehörde YSK Urnen in insgesamt 75 Ländern aufstellen.
Dazu gehört auch Deutschland mit etwa 1,5 Millionen Wählern, also der Hälfte aller Wahlberechtigten im Ausland. Daher ist es keine Überraschung, dass besonders Deutschland im Fokus des türkischen Wahlkampfes liegt. Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2018 hatte Erdogan 65 Prozent der Stimmen türkischer Wähler in Deutschland abgeräumt. Am 14. Mai will er diesen Erfolg wiederholen. Dafür engagieren sich AKP-nahe Vereine sowie AKP-Männer stark in Moscheen und türkischen Gemeinden.
Türkei-Wahl: Erdogan-Opposition macht Wahlkampf mit PKK-Anführer – USA nennen ihn „Terrorist“
Zwar sorgt der Wahlkampf von Erdogans Partei für Aufsehen in Deutschland. Zuletzt warnte etwa Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in einem Brief an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor Veranstaltungen der Anhänger des türkischen Präsidenten. Oft wird kritisiert, dass interne Streitigkeiten der türkischen Politik auf deutsches Territorium übertragen werden.
Außer Acht wird meist aber die YSP gelassen, die in ganz Deutschland – einschließlich in Berlin, aber auch in Bayern – Wahlkampfbüros eröffnet und ähnlich wie die AKP für Stimmen in Europa wirbt. Doch es sind nicht immer nur Politiker, die Wahlkampf für die YSP oder das Oppositionsbündnis unter dem Oppositionskandidaten Kemal Kilicdaroglu betreiben. Teilweise tauchen auch umstrittene Namen auf, wie etwa zuletzt bei einer Kundgebung in Düsseldorf.
Am Samstag (15. April) marschierten tausende Menschen in Düsseldorf und forderten Freiheit für Abdullah Öcalan, dem in der Türkei inhaftierten Gründer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Unter den Veranstaltern befand sich auch der europäische Arm der Grünen-Linkspartei, wie das Nachrichtenportal ANF berichtete.
Das Highlight der Kundgebung: Eine zuvor aufgenommene und schließlich in Düsseldorf abgespielte Rede von Cemil Bayik. Er ist einer der aktuellen Anführer der marxistisch-leninistischen PKK, die für unzählige Anschläge in der Türkei verantwortlich gemacht wird. Auch die USA bestätigen dies. Dort gilt Bayik keineswegs als eine harmlose Person. Das Außenministerium in Washington hat ein Kopfgeld von bis zu vier Millionen Dollar auf den PKK-Anführer ausgesetzt. „Haben Sie diesen Terroristen gesehen?“, wird in einem Twitter-Post aus 2021 gefragt. „Cemil Bayik ist ein Gründungsmitglied der Terrororganisation PKK. Helfen Sie uns, ihn zu stoppen“, heißt es weiter. Sowohl in den USA als auch in Europa gilt die PKK als Terrororganisation.
In Deutschland war der Name Bayik schon 2017 im Zusammenhang mit der Verhaftung des Welt-Journalisten Deniz Yücel aufgetaucht. Yücel hatte 2015 in den Kandil-Bergen im Nordirak ein Interview mit Bayik geführt, was von Ankara als „Terrorpropaganda“ geißelte. Der deutsch-türkische Journalist wurde daraufhin zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren, 9 Monaten und 22 Tagen verurteilt, allerdings nach etwa einem Jahr freigelassen.
Türkei-Wahl: PKK-Anführer wirbt für Anti-Erdogan-Bündnis
Bei seiner Rede in Düsseldorf betonte der PKK-Anführer die Bedeutung der Wahlen am 14. Mai und forderte das Oppositionsbündnis von Kilicdaroglu dazu auf, alles zu tun, um Erdogans AKP und ihren Verbündeten, die nationalistische MHP, abzusetzen. „Das Schicksal der Türkei liegt in den Händen dieses Bündnisses“, sagte der Bayik in seiner Botschaft laut ANF. Die PKK habe auf bewaffnete Art und Weise das Ende der AKP herbeigeführt: „Nun muss dieses Bündnis das bei dieser Wahl vollenden.“
Foza Yusif, Mitglied der pro-kurdischen, syrischen Partei PYD hielt ebenfalls eine Rede vor Ort in Düsseldorf. „Die Wahlergebnisse sind für uns alle wichtig“, sagte sie und ergänzte: „Bitte gebt eure Stimmen dementsprechend ab.“ Zudem forderte sie die Freilassung von Öcalan. Die PYD ist der politische Arm der syrischen YPG, die im Kampf gegen die IS-Terrormiliz als der wichtigste Verbündete der Internationalen Koalition gilt. Ankara wirft der YPG enge Verbindungen zur PKK vor.
Türkei-Wahl: Pro-kurdische Partei eröffnet Wahlkampfbüros in ganz Deutschland
Zuletzt eröffnete die pro-kurdische YSP „Wahlkommissionen“ auch in Bayern und Baden-Württemberg, wie ANF berichtete. Demnach besuchen die Kommissionen Familien in den Bundesländern und betreiben „Wahlpropaganda“. Außerdem würden sie Informationspunkte in Stadtzentren errichten und Broschüren verteilen. „Wir rufen alle unsere Völker, die in Bayern und Baden-Württemberg leben, dazu auf, zwischen dem 27. April und 9. Mai wählen zu gehen“, zitierte ANF die Kommissionen.

„Die Zeit, dieses Regime zu ändern, ist gekommen“, hieß es weiter in einem Treffen der Kommissionen. In Städten wie Salzgitter, Duisburg, Mannheim, Karlsruhe und Stuttgart wurden ebenfalls Wahlbüros eröffnet. An einer Wahlkampf-Veranstaltung in Stuttgart am 10. April nahm auch die Linken-Abgeordnete Gökay Akbulut teil und hielt dort eine Rede, in der sie ihre Unterstützung für die YSP betonte. Mit dabei waren auch HDP-Politiker wie Ertugrul Kürkcü.
In Berlin betreibt die YSP ebenfalls Wahlkampf. Dort werden ähnlich wie in anderen Städten Broschüren verteilt, Poster aufgehängt und Familien besucht, um für Stimmen zu bitten. So wie die AKP in Moscheen Wahlkampagnen organisiert, werden die Veranstaltungen der YSP teilweise in alevitischen Gotteshäusern durchgeführt. In europäischen Ländern wie Frankreich, Belgien, Italien und Großbritannien engagiert sich die pro-kurdische Partei ebenfalls. Am 14. Mai wird sich zeigen, ob die Stimmen aus Europa reichen werden, um Erdogan abzuwählen. Dass Anführer der PKK Werbung für Kilicdaroglu machen, könnte der Opposition aber auch schaden. (bb)