Kurz vor Türkei-Wahl: Ditib-Skandal um fragwürdigen Berater in NRW
Ein Ex-Berater der NRW-Landesregierung muss sich vor Gericht verantworten. Er soll der Grund sein, warum mit dem umstrittenen Moscheeverein Ditib wieder kooperiert wird.
Düsseldorf - Im Fall des ehemaligen Beraters der NRW-Landesregierung bleiben viele Fragen offen. Dem Mann werden im Zeitraum von November 2000 bis Dezember 2021 insgesamt 29 Straftaten vorgeworfen. Das teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Duisburg mit. Die Vorwürfe umfassen unter anderem Betrug und Urkundenfälschung. Zweifel gibt es demnach auch an der Echtheit der Doktorarbeit des Mannes.
Der Beschuldigte hatte das NRW-Schulministerium in Fragen zum Islam und zur Bildung und Arbeit der Kommission für den islamischen Religionsunterricht beraten. Die damalige NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte in dieser Zeit den umstrittenen Moscheeverband Ditib wieder in die Kommission zum Islamunterricht geholt. Die Kommission entscheidet sowohl über Lehrbücher als auch über Lehrpersonal. Erst 2021 hatte die neue Kommission, bestehend aus sechs islamischen Organisationen, ihre Arbeit aufgenommen – darunter wieder die Ditib.
Streit über Ditib-Kooperation in NRW seit 2017
Die Ditib habe glaubhaft eine Staatsferne und Unabhängigkeit von Ankara und der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan gezeigt. Im Februar 2017 hatte die Landesregierung die Zusammenarbeit mit Ditib eingestellt, weil es zu Spionagefällen durch Imame des Moscheeverbandes kam. Der Ex-Berater steht in Verdacht, über persönliche Verbindungen zu Ditib zu verfügen.

Die Organisation selbst ist wie ihr Landesverband NRW allerdings weit von einer Unabhängigkeit von Ankara entfernt. In den vergangenen Monaten waren immer wieder Abgeordnete der AKP in Moscheen der Ditib und hatten dort bei Wahlkampfveranstaltungen um die Stimmen der Auslandstürken geworben. In einem Tweet am 3. Februar hatte Adem Taflan vom AKP-Lobbyverband UID (Union Internationaler Demokraten) die enge Zusammenarbeit mit dem Moscheeverband ebenfalls bestätigt.
124 AKP-Abegordnete besuchen vor Türkei-Wahl Ditib-Moscheen in Deutschland
„In den vergangenen sechs Monaten haben wir Treffen zwischen 124 Abgeordneten und 25 Bürgermeistern mit europäischen Türken organisiert“, schreibt Taflan auf Twitter. „Wir sind Tag und Nacht auf dem Feld“. Man werde 2023 die Wahlurnen in Weiß streichen, was auf Türkisch „ak“ heißt – eine Anspielung also auf die beiden Anfangsbuchstaben der AKP. „İnşaAllah“ schreibt Taflan am Ende seines Tweets. Zudem hatte die UID bekannt gegeben, alleine zwischen Mitte 2021 und Ende 2022 mit der Ditib rund 670 „gemeinsame Veranstaltungen“ durchgeführt zu haben. Für die anstehende Türkei-Wahl am 14. Mai könnten so alleine durch Wahlwerbung in Ditib-Moschee viele Stimmen für Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine AKP zusammenkommen.
Eine Nähe zwischen Ditib und der türkischen Regierung lassen auch die Strukturen der Organisiation selbst vermuten. Die türkische Religionsbehörde Diyanet kann den Bundesvorstand praktisch alleine bestimmen. „So besteht der Beirat, der an Entscheidungen über alle grundlegenden Fragen des Verbands beteiligt werden muss und zumeist die endgültige Entscheidungsbefugnis hat, ausschließlich aus Diyanet-Funktionären,“ heißt es vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in einem Bericht über den rechtlichen Status der Ditib.
Nun steht die Zusammenarbeit der NRW-Landesregierung mit der Ditib aufgrund des Skandals um den Berater als erneut auf dem Prüfstand - mit offenem Ausgang.