So bringt Erdogan kritische Stimmen zum Schweigen
Präsident Erdogan will vor der Türkei-Wahl nichts dem Zufall überlassen. Wer Kritik übt, wird mundtot gemacht - und das soll auch im Ausland so sein.
Ankara - Präsident Recep Tayyip Erdogan will am 14. Mai die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei gewinnen. Dafür hat er alle Kräfte mobilisiert und bringt kritische Stimmen vom vorne herein zum Schweigen. Dafür sorgen verschiedene Gesetze und regierungsnahe Medien.
Dazu dient vor allem das sogenannte „Gesetz gegen Desinformation“. Wer dagegen verstößt, dem drohen bis zu drei Jahre Gefängnis. Das Gesetz richtet sich neben Zeitungen, Radio und Fernsehen vor allem gegen Onlinenetzwerke und Onlinemedien. Das Gesetz ist seit Oktober 2022 in Kraft.

Türkei-Wahl 2023: Sendegenehmigung für ausländische Medien
Auch mit der Erteilung von Sendegenehmigungen werden Medien eingeschüchtert. Im Juli 2022 hat die Rundfunkaufsicht RTÜK das Internetangebot der türkischen Dienste von Deutsche Welle (DW) und Voice of America gesperrt. Bereits im Februar 2022 hatte die türkische Medienaufsicht den türkischen Dienst der DW und andere internationale Medien aufgefordert, im Einklang mit einem Mediengesetz von 2019 Sendegenehmigungen zu beantragen - andernfalls müsse sie „mit einem Sendeverbot“ und der Sperrung des Onlineangebots rechnen.
Die Deutsche Welle war dem nicht nachgekommen und erklärte, dass „eine Lizenzierung die Zensur von redaktionellen Inhalten durch die türkische Regierung ermöglicht hätte“. Lizenzierte Medien in der Türkei sind zur Löschung von Online-Inhalten verpflichtet, die nach Auslegung von RTÜK als unangemessen angesehen werden.
Türkei-Wahl 2023: Festnahmen wegen kritischer Berichterstattung aus Erdbebengebiet
Gerade nach dem verheerenden Erdbeben im Februar wurden immer wieder Medienschaffende festgenommen, weil sie über ungenügende Krisenmanagement im Katastrophengebiet berichtet hatten. So wurde am 7. Februar Volkan Pekal von der Zeitung Evrensel festgenommen, weil er in einem Krankenhaus in Adana „ohne Erlaubnis“ gefilmt hatte. Eine Festnahme musste auch Mehmet Güles von der Nachrichtenagentur Mezopotamya über sich ergehen lassen. Er hatte von den Rettungsarbeiten berichtet. Pekal und Güles sind nur zwei Beispiele von vielen. Noch immer befinden sich Dutzende Journalist:innen in türkischen Gefängnissen.
Erdogan-Kritiker wird vor der Türkei-Wahl als „Terrorist“ bezeichnet
Besonders diejenigen, die im Exil leben, sind im Visier von Erdogan und seiner AKP-Regierung. So hat die türkische Zeitung Sabah gleich mehrere Personen zur Zielscheibe erklärt. Der Exiljournalisten Cevheri Güven wurde vor seinem Haus fotografiert und das Bild samt Wohnort in der regierungsnahen Zeitung veröffentlicht. Darin bezeichnet ihn das Blatt als „Terroristen“. Die Gründe dafür sind klar. „Die Exiljournalisten sind zur wichtigsten Nachrichtenquelle für die Menschen in der Türkei geworden“, sagt Güven im Gespräch mit FR.de von IPPEN.MEDIA. Der Medienkonzern Turkuvaz, zu dem Sabah oder TV-Sender wie A-Haber gehören, wird von Erdogans Schwiegersohn und Ex-Finanzminister Berat Albayrak geleitet.
„Seitdem die Videos von Exiljournalisten millionenfach angesehen und in den sozialen Medien geteilt werden, hat das zum Präsidentenamt angehörige Kommunikations-Direktorat eine eigene Abteilung gegründet, um Exiljournalisten zu auszuspähen“, so Güven. Zunächst seien Nachrichten über Exiljournalist:innen verbreitet worden, die ihren Ruf schädigen sollten. Danach kamen die Drohungen und Angriffe gegen die Exiljournalisten“, so Güven. Das Aufspüren der unliebsamen Stimmen, das Veröffentlichen ihrer Adressen und sie damit zur Zielscheibe zu machen, sei nur ein Teil des Ganzen.
Regierung und Mafia-Gruppen bedrohen kritische Menschen in der Türkei
„Diese Angriffe kommen sowohl von der Regierung als auch von regierungsnahen Mafia-Organisationen. Die Exiljournalisten Ahmet Dönmez und Erk Acarer wurden von solchen Mafia-Gruppen zusammengeschlagen“, erzählt der Exiljournalist, der selbst im Visier der Erdogan-Regierung und regierungsnaher Mafia-Gruppen steht. Eine Niederlage bei der Türkei-Wahl kann sich Erdogan nicht leisten. Der Präsdientschaftskandidat der Opposition, Kemal Kilicdaroglu, hat bei einem Sieg angekündigt, gegen Erdogan und seine Machenschaft vorzugehen. Dann drohen dem türkischen Präsidenten zahlreiche Anklagen und Gefängnis. (Erkan Pehlivan)