Getarnt als Kulturevent: AKP-Wahlkampf in Deutschland wird fortgesetzt

Nach der Hetzrede eines AKP-Abgeordneten in einer Neusser Moschee soll Erdogans Wahlkampf in Deutschland weitergehen – als „Gedenk- und Kulturveranstaltung“.
Köln – Vor der Türkei-Wahl buhlt Recep Tayyip Erdogan überall um Stimmen. Auch in Deutschland, wo viele seiner Landsleute leben. Doch seit das Auswärtige Amt wegen einer Hetzrede des AKP-Abgeordneten Mustafa Acikgöz in einer Neusser Moschee den türkischen Botschafter einbestellt hat, hat die türkische Regierungspartei den Wahlkampf vorerst in andere europäische Staaten verlagert. Am vergangenen Wochenende hatten etwa mehrere AKP-Abgeordnete in Moscheen und Vereinen in Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Österreich ihre Reden gehalten, in denen sie die im Ausland lebenden Türken auf die anstehende Wahl am 14. Mai vorbereiten.
Dabei gab es auch gemeinsame Auftritte von AKP-Abgeordneten mit Vertreten der rechtsradikalen „Grauen Wölfe“. Die von der AKP-Lobbyorganisation UID (Union of International Democrats) organisierten Wahlkampfveranstaltungen werden unter anderem als „Treffen mit dem Volk“ oder „Kulturveranstaltung“ bezeichnet. Darin wird vor allem über „das Jahrhundert der Türkei“ gesprochen – dem Wahlslogan der Regierungspartei AKP. Auch Abgeordnete der mit der AKP verbündeten ultranationalistischen MHP waren dabei zuletzt immer wieder in Erscheinung getreten.
Vor Türkei-Wahl: Erdogan buhlt mit „Gedenk- und Kulturveranstaltung“ in Deutschland um Stimmen
Doch trotz der Aufregung um den Neusser-Vorfall soll es demnächst auch in Deutschland wieder mehrere Veranstaltungen geben, an denen AKP-Größen teilnehmen sollen. Diese werden allerdings als Gedenk- und Kulturveranstaltungen bezeichnet. Für den 18. März hat die UID in Bingen am Rhein eine Veranstaltung geplant, die an die Schlacht von Gallipoli während des Ersten Weltkrieges erinnern soll. Zu den Rednern gehört Ahmet Minder, der Chefberater von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Auch hat die UID eine weitere Veranstaltung geplant, an der AKP-nahe Sänger Ugur Isilak und der Erdogan-nahe Propagandist Abdurrahman Uzun teilnehmen soll. Den genauen Ort und die Zeit will die AKP-Lobbyorganisation nächste Woche bekannt geben. Der Aktvist Abdurrahman Uzun hat alleine auf Twitter 587.000 Followor und auf Facebook sogar über eine Million. Immer wieder zieht er in seinen Youtube-Kanälen über die Opposition her und verherrlicht Präsident Erdogan. Zudem ist er für seine nationalistische, islamistische und anti-westliche Propaganda bekannt.
AKP instrumentalisiert Wahlkampfveranstaltung auch im Ausland
Die geplanten Veranstaltungen werden von Experten heftig kritisiert. In der Gedenkveranstaltung zur Schlacht von Gallipoli sieht der Vorsitzende des Landesverbands der „Liberalen Vielfalt Berlin“, Eren Güvericin, im Gespräch mit fr.de von IPPEN.MEDIA eine Wahlkampfveranstaltung. „Die Instrumentalisierung von Gedenktagen und historischen Ereignissen gehört zum Repertoire von Erdogans Wahlkampfstrategie. Dass einer der Chefberater von Erdogan auf einer UID-Veranstaltung auftritt, um an den Sieg in Canakkale zu erinnern, ist keine einfache Gedenkveranstaltung, sondern ein Teil der AKP-Propaganda zum Wahlkampf“.
Für Erdogan gehe es bei der Türkei-Wahl wie in Gallipoli um die Unabhängigkeit der Türkei. „Damit meint Erdogan: Wenn die Türkei wieder eine große Macht werden soll, dann muss man die AKP wählen, um sich von den Ketten, also dem Westen zu befreien“, so Güvercin.
AKP und MHP versuchen in Deutschland vor Türkei-Wahl ein Quasi-Auftrittsverbot zu umgehen
Auch der Politikwissenschaftler und Türkei-Experte Mahir Tokatlı sieht im Gespräch mit unserer Redaktion in den Veranstaltungen der UID einen AKP-Wahlkampf: „Offensichtlich versuchen die AKP und die MHP das quasi-Auftrittsverbot zu umgehen, indem sie kleinere Veranstaltungen organisieren und auf ihre hiesigen stark ausgeprägten Organisationsstrukturen zurückgreifen.“ Tokatlı mahnt hier zu Vorsicht.
„Bei solchen Veranstaltungen in kleineren Städten wie etwa in Bingen sind die ortsansässigen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gefragt, denn Sie haben die Möglichkeit solche Veranstaltungen abzusagen.“ Der Türkei-Experte findet, keine Stadt sei verpflichtet, rechtsextreme Rhetorik über sich ergehen lassen zu müssen. „Ein ähnlich engagiertes Auftreten würde man bei Auftritten von rechten deutschen Parteien ebenfalls verlangen“, so Tokatlı. (Erkan Pehlivan)