1. Startseite
  2. Politik

Miese Wirtschaft und Korruption haben kaum Auswirkungen auf Wahl in der Türkei

Erstellt:

Von: Erkan Pehlivan

Kommentare

Die Opposition schneidet bei der Türkei-Wahl schlecht ab. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ein Experte nennt die Abstimmung vor allem „nicht wirklich demokratisch“.

Ankara - Bei der Türkei-Wahl haben die Menschen ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten gewählt. Am 28. Mai wird allerdings in einer Stichwahl feststehen, wer der neue Präsident wird, weil keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht hat. Die Umfragen hatte Herausforderer Kemal Kilicdaroglu (CHP) vorne gezeigt und sogar eine absolute Mehrheit am 14. Mai vorhergesagt. Nach vorläufigen Endergebnissen liegt Präsident Recep Tayyip Erdogan mit 49,5 Prozent vor Kilicdaroglu mit 44,89 Prozent.

Die Oppositionsparteien gehen von einer Manipulation der Türkei-Wahl aus. Am Wahlabend und auch in der Nacht hatten die CHP und die Grüne Linkspartei immer wieder von Manipulation gesprochen und die Wahlbeobachter davor gewarnt, die Stimmzettel unbeaufsichtigt zu lassen. Jetzt hat auch der türkisch-amerikanische Ökonom Daron Acemoglu die Gründe für den hohen Stimmenanteil von Präsident Erdogan und seiner AKP analysiert und diese in einer Tweet-Serie veröffentlicht.

Türkei-Wahl zeigt, wie nationalistisch die Menschen sind

„Um dies zu verstehen, muss man zunächst feststellen, dass die türkische Wählerschaft sehr nationalistisch geworden ist. Die rechtsextreme MHP, die mit Erdogan verbündet ist, erhielt 10 Prozent der Stimmen, obwohl sich die nationalistischen Stimmen auf Erdogan, MHP, Iyi Parti und andere verteilten“. Mehrere Parteien hatten in ihrem Wahlkampf gegen Flüchtlinge gehetzt und ihre Abschiebung im Falle des Wahlsieges versprochen.

Präsident Recep Tayyip Erdogan konnte bei der Türkei-Wahl die meisten Stimmen für sich verzeichnen.
Präsident Erdogan spricht zu seinen Anhängern. © Khalil Hamra/dpa

Erdogan kontrolliert weiterhin Medien in der Türkei

Auch Medien sind nach Ansicht des Professors an der international renommierten US-Universität MIT (Massachusetts Institute of Technology) ein Grund für die Schlappe der Opposition am vergangenen Sonntag. „Der Präsident und seine Verbündeten kontrollieren das Fernsehen und die Printmedien vollständig und nutzten sie, um den Nationalismus zu schüren, vor allem mit der Behauptung, die Opposition stecke mit kurdischen Separatisten unter einer Decke. In Verbindung mit der Tatsache, dass Kilicdaroglu ein Alevit ist, könnte dies wirksam gewesen sein“, schreibt Acemoglu in seiner Analyse.

Zur Person

Prof. Daron Acemoğlu wurde am 3. September 1967 als Sohn armenischer Eltern in Istanbul geboren. Acemoglu forscht unter anderem zu den Themen politische Ökonomie und Armut. Für seine Arbeit bekam der Wirtschaftsexperte mehrere Preise.

Miese Wirtschaft und Korruption haben kaum Auswirkungen auf Türkei-Wahl

Auch die Themen Wirtschaft und Misswirtschaft sowie Korruption hatten nicht das Interesse erreicht, dass viele vorher dachten. „Sie spielten in den Großstädten eine Rolle“, so Acemoglu. In Gebieten, wo die AKP eine gutes Netzwerk aufgebaut hat, fanden diese Themen kaum Beachtung. Und die wirtschaftlichen Probleme in der Türkei sind riesig. Zwar gibt die staatliche Statistikbehörde die Inflationszahlen immer noch mit 43,68 Prozent an, aber der unabhängige Wirtschaftsprüfer berechnet die tatsächliche Inflation mit 105,19 Prozent an.

Trotz Skandalen: Top-Ergebnis bei Türkei-Wahl für Erdogan in Erdbebengebiet

Das Missmanagement nach der verheerenden Erdbebenkatastrophe dürfte vielen unnötig das Leben gekostet haben. Auch der sogenannte Baufrieden, mit dem Erdogan Hunderttausende Gebäude in den vergangenen Jahren nachträglich legalisiert hat, dürfte der Grund für die hohen Todeszahlen sein. „Aber die Versprechen von Wohnraum und Arbeitsplätzen haben funktioniert“, schreibt der renommierte Professor.

„Ich mache mir Sorgen um die Zukunft der Wirtschaft und der Demokratie“.

Prof. Daron Acemoglu

Keine Unabhängige Justiz in der Türkei

Acemoglu kritisiert zudem die mangelnde unabhängige Justiz in der Türkei. „Die Justiz und die Strafverfolgungsbehörden haben jegliche Unabhängigkeit verloren.“ Nur wenigen Stunden nach dem Putschversuch hatte Erdogan rund ein Viertel aller Richter und Staatsanwälte in der Türkei entlassen und viele von ihnen verhaften lassen.

Türkei droht wirtschaftlicher Kollaps

Der Wirtschaftsexperte und Türkei-Kenner bezeichnet die Wahlen in dem Land als „nicht wirklich demokratisch“. Es gebe weiterhin Repressionen, die Medien sind unter Kontrolle von Erdogan und Kritiker werden eingeschüchtert oder sitzen weiterhin im Gefängnis. Unter den Inhaftierten sind weiterhin auch Dutzende Journalisten. Der Wirtschaftsexperte glaubt nicht, dass Erdogans AKP in der Lage sein wird, die Krise zu bewältigen. Korruption und Misswirtschaft würden wahrscheinlich weitergehen. „Ich mache mir Sorgen um die Zukunft der Wirtschaft und der Demokratie“. (Erkan Pehlivan)

Auch interessant

Kommentare