„Es reicht“ - Schon wieder Streit in der türkischen Opposition

Der Kandidat der Opposition für die Wahl in der Türkei steht fest. Doch offenbar gab es bei der finalen Besprechung wieder Streit zwischen Partnern.
München – Etwa drei Tage lang war die türkische Opposition gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan gespalten. Sie konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Türkei-Wahl 2023 einigen. Das Oppositionsbündnis, der sogenannte „Sechser-Tisch“, brach zusammen. Dann wieder die Wende: Man konnte sich kurz vor der Verkündung des Kandidaten wieder vereinigen.
Die Probleme schienen gelöst. Doch im ersten Treffen nach der Spaltung ist es wieder zum Streit gekommen. Während der Rede zur Ankündigung des Kandidaten stellten sich die Oppositions-Vorsitzenden nebeneinander auf - wenn auch mit unzufriedenen Gesichtern.
Türkei-Wahl 2023: Opposition streitet sich schon wieder
Der Grund für den ursprünglichen Konflikt war der Widerstand der Iyi-Partei von Meral Aksener gegen die Kandidatur von Kemal Kilicdaroglu, Chef der größten Oppositionspartei CHP. Aksener forderte die Kandidatur von entweder dem Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu oder Ankaras Bürgermeister Mansur Yavas. Als dies nicht beachtet wurde, verließ die Partei das Oppositionsbündnis. Nach stundenlangen Gesprächen trat sie aber wieder bei und nahm am finalen Treffen des „Sechser-Tisches“ teil.
Hunderte versammelten sich und jubelten, als Aksener in der Zentrale der Saadet-Partei in Ankara aufkreuzte. Nach etwa einem vierstündigen Gespräch wurde Kilicdaroglu schließlich als Kandidat verkündet. Imamoglu und Yavas sollten laut dem gemeinsamen Papier „zu einem geeigneten Zeitpunkt“ Vize-Präsidenten werden. Allerdings liefen die Gespräche im Hintergrund wohl alles andere als reibungslos ab.
Türkei-Wahl 2023: Opposition stand kurz vor erneuter Spaltung
Die Verhandlungen zwischen der CHP und der Iyi-Partei, die mit der Rückkehr Akseners endeten, sorgten Berichten zufolge für Unmut bei den restlichen Bündnispartnern. Sie wurden an diesen Gesprächen nicht beteiligt. Besonders die Deva-Partei vom Ex-Erdogan-Weggefährten Ali Babacan zeigte sich unzufrieden. Man könne Akseners Forderung, dass Imamoglu und Yavas Vize-Präsidenten werden sollen, zwar diskutieren. Allerdings werde man einen „Zwang“ in dieser Sache nicht akzeptieren.
Laut dem oppositionsnahen Journalisten Ismail Saymaz vom Sender Halk TV kam es beim Treffen unter den sechs Parteivorsitzenden zu ernsten Spannungen zwischen Aksener und Babacan. „Ich bin mit dieser Forderung an den Tisch gekommen, dann kann ich auch wieder gehen“, soll sie auf den Widerstand des Ex-Erdogan-Ministers geantwortet haben. Der gegenseitige Ton soll immer lauter geworden sein. Aksener soll schließlich „Es reicht!“ geschrien haben.
Offenbar konnte man den Streit bis in die Korridore der Saadet-Zentrale hören, worauf die Iyi-Partei Akseners Wagen vorbereitete. Als das Bündnis drohte, zum zweiten Mal zusammenzubrechen, griff wohl Ahmet Davutoglu ein. Er ist Vorsitzender der Gelecek-Partei und ebenfalls Ex-Erdogan-Minister. Er soll mit Aksener verhandelt und den Streit beigelegt haben. Akseners Forderung wurde akzeptiert. Bei der anschließenden Ankündigung des Kandidaten Kilicdaroglu tauschten die Parteichefs der Iyi-Partei und Deva-Partei schiefe Blicke aus.
Türkei-Wahl 2023: Aksener sorgt für Diskussionen in der Opposition gegen Erdogan
Mehrere türkische Journalisten wie Cüneyt Özdemir und Ibrahim Haskologlu bestätigten diese Informationen. Baris Yarkadas, ein ehemaliger CHP-Abgeordneter und weiterer oppositionsnaher Journalist, warf Aksener vor, zu einer „Krise“ geführt zu haben. Damit schade sie der Opposition, schrieb Yarkadas auf Twitter. „Ich verstehe sie nicht“, fügte er hinzu und fragte seine Follower: „Versteht irgendjemand, was sie tut?“
Die Kritik an Aksener aus den Oppositionsreihen könnte sich nochmal intensivieren. Eigentlich plant die Opposition, alle Parteivorsitzenden des Sechser-Tisches außer Kilicdaroglu zum Vize-Präsidenten zu machen. Neben Imamoglu und Yavas würde es somit fünf weitere Vize-Präsidenten geben. Die Journalistin Özlem Gürses behauptete nun auf Twitter, dass die Iyi-Parteichefin dies in einer Fernsehsendung am Dienstagabend (7. März) ablehnen wird. Dies mag zwar nicht dramatisch klingen, doch Aksener könnte erneut als eine Art „Spielverderberin“ dastehen. (bb)