Aufruf zur Erdogan-Abwahl: Grüne geben Empfehlung für Türkei-Wahl heraus
Die türkischen Wahlberechtigten in Deutschland sind eine wichtige Zielgruppe für Präsident Erdoğan. Die Grünen werben hierzulande nun aktiv für einen Machtwechsel bei den Türkei-Wahlen.
Berlin – Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland sind bei der Türkei-Wahl am 14. Mai stimmberechtigt. Die Grünen rufen diese hierzulande nun dazu auf, für einen Machtwechsel in ihrer Heimat zu stimmen. Die Co-Bundesvorsitzende Ricarda Lang sprach sich am Freitag (5. Mai) auf Twitter dafür aus, die Stimme für Kemal Kılıçdaroğlu abzugeben. Der Oppositionsführer gilt als der aussichtsreichste Herausforderer des amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
Grünen fordern zu Machtwechsel auf: „Echte Chance zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren“
Noch nie seit seiner Amtsübernahme musste der türkische Präsident so um seine Wiederwahl bangen wie in diesem Jahr. Erdoğans Zustimmungswerte sind wegen des verheerenden Erdbebens im Land, der hohen Inflation und der schwächelnden Wirtschaft angeschlagen. Umfragen zur Türkei-Wahl zufolge liefert er sich mit Oppositionsführer Kılıçdaroğlu aktuell ein Kopf-an-Kopf-Rennen. „Nun besteht nach Jahren der autoritären Führung unter Präsident Erdoğan eine echte Chance, zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren“, schrieb Lang dazu auf Twitter.
Im Anschluss rief sie zur Wahl der linksgerichteten Partei HDP unter dem Dach der Grünen-Schwesterpartei YSP – sowie des gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu auf. Zuvor hatte der Bundesvorstand der Grünen ein gemeinsames Beschlusspapier zu den türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen veröffentlicht, über das zuerst der Spiegel berichtete.
Der Oppositionsführer Kılıçdaroğlu der sozialdemokratischen Partei CHP tritt als Kandidat für eine Allianz aus verschiedenen Oppositionsparteien an. Die prokurdische HDP kandidiert wegen des drohenden Parteiverbots unter dem Dach der Grünen Linkspartei (YSP).
Beschlusspapier der Grünen kritisiert „aggressive Außenpolitik“ der türkischen Regierung
Kurz vor dem Beginn der Türkei-Wahl hatte Erdogan aktiv gegen die LGBT-Community in der Türkei gehetzt und ein Vorgehen „gegen perverse Tendenzen“ zum Schutz der „Heiligkeit der Familie“ angekündigt. Diese Botschaft dürfte der konservativen Wählerschaft in der Türkei gefallen. Die Partei des amtierenden Präsidenten, die islamisch-konservative AKP, bildet ein Bündnis mit der ultranationalistischen MHP und weiteren rechten und islamistischen Parteien.
Die Grünen übten indes Kritik am innenpolitischen Kurs der türkischen Regierung. „Wir verurteilen die Menschenrechts- und Rechtsstaatsverletzungen der vergangenen Jahre, fordern eine sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen sowie die Rückkehr zu einem politischen Dialog- und Friedensprozess in der kurdischen Frage“, hieß es in dem Beschlusspapier der Partei. Die türkische Regierung solle zudem ihre „aggressive Außenpolitik“ beenden, so eine Forderung. Eine Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt könne es nur geben, „wenn die Türkei eine Kehrtwende zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht“, hieß es laut Spiegel-Bericht weiter.

Diesen Stellenwert haben türkische Wahlberechtigte in Deutschland für Erdoğan
Die türkischen Wahlberechtigten hierzulande sind eine wichtige Zielgruppe für Erdoğan. Der türkische Amtsinhaber hatte bereits im vergangenen Jahr damit begonnen, aktiv um die Stimmen der in Deutschland lebenden Wählerinnen und Wähler zu buhlen, indem er Briefe mit Wahlwerbung an Moscheegemeinden und türkische Vereine sendete.
Ein Blick auf die vergangenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zeigt, dass die türkischen Wählerinnen und Wähler in Deutschland großteils für Erdoğan stimmten, der seit 20 Jahren die Macht innehat und das Land nach und nach zu seinen Gunsten umbaute – etwa durch die Übernahme zahlreicher Medien oder mithilfe eines neuen Wahlgesetzes. Während der Amtsinhaber bei den Wahlen im Jahr 2018 insgesamt auf 53 Prozent aller Stimmen kam, wählten ihn damals 65 Prozent der türkischen Wahlberechtigten in Deutschland.
Bis zum 9. Mai können türkische Wählerinnen und Wähler in Deutschland ihre Stimmen für die Türkei-Wahl abgeben. Bislang ist die Wahlbeteiligung laut Informationen der Türkischen Gemeinden in Deutschland bereits höher als bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2018 (bme mit dpa).