Erdogans AKP setzt Wahlkampf in Europa fort und schüchtert die Opposition mit Gewalt ein
Während die Auslandstürken bis zum 9. Mai ihre Stimmen für die Türkei-Wahl abgeben können, läuft der AKP-Wahlkampf auf Hochtouren. Das kann dann auch zu Gewalt führen.
Antwerpen – Bis zum 9. Mai haben die Auslandstürken Zeit, ihre Stimmen für ein neues Parlament und neuen Präsidenten abzugeben. Parallel dazu laufen die türkischen Wahlkämpfe in den europäischen Städten auf Hochtouren. Gleichzeitig werden die Wahllokale von Politikern und Funktionären der AKP besucht. Im belgischen Antwerpen ist es am Sonntag (30. Mai) nun zu Gewaltausbrüchen gekommen.
Angriff auf oppositionelle Wahlbeobachter
„Heute kam der AKP-Bürgermeister von Emirdag, Serkan Koyuncu, zum Wahllokal in Antwerpen. Er hat versucht, die Propaganda zu betreiben und die Wähler zu beeinflussen. Als oppositionelle Beobachter ihn ermahnen, greifen seine Leibwächter an. Einer von Grünen Linkspartei (YSL) wird dabei ernsthaft verletzt. Danach ist er nach Brüssel gereist“, schreibt die Wissenschaftlerin Elif Durmus von der Universität Antwerpen auf Twitter zum Vorfall und postet das entsprechende Video.
Koyuncu war an dem Tag auch in einer Moschee, die der belgische Ableger der IGMG (Milli Görüs) ist. Dort postete er Fotos mit Gemeindemitgliedern. „Die Islamföderation Belgien, die Gemeinde der Hicret-Moschee, setzten ihren Weg mit dem Reis (Anm. d. Red. Führer) fort. Der Rekord kommt!“ schreibt er zu den Fotos aus der Moschee.
Expertin angesichts von AKP-Gewalt nicht verwundert
Angesichts der Gewalt zur Türkei-Wahl in europäischen Städten zeigt sich die Politikwissenschaftlerin Dastan Jasim vom GIGA-Institut in Hamburg nicht verwundert. „Es ist nicht überraschend, was wir da sehen. Wir haben ganz offenen Aufruf zu Gewalt gehabt. Bei seinem Besuch in einer Neusser Moschee hatte der AKP-Abgeordnete Mustafa Acikgöz zur Vernichtung unter anderem von Anhängern der PKK und Gülen-Bewegung aufgerufen.“ Jasim mahnt daher zur Vorsicht.

„Die Gefahr von türkischen Nationalisten und Anhängern der AKP wurde bislang unterschätzt – sowohl in Deutschland als auch Frankreich. Frankreich hat zum Beispiel die Grauen Wölfe verboten, aber wirkliche Konsequenzen hat das nicht.“ Zu ähnlichen Gewaltausbrüchen soll es auch im französischen Bordeaux gekommen sein. Bestätigt werden konnte das aber bislang nicht.
Zusammenarbeit von AKP und Ditib-Moscheen hält weiterhin an
Auch in Deutschland ist die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan aktiv. Zahlreiche Busse bringen die Auslandstürken von Moscheen in die Generalkonsulate, damit sie ihre Stimmen für die Regierungspartei abgeben können. Vor dem Generalkonsulat erstellen die AKP-Abgesandten Listen, in denen sie festhalten, von welcher Moschee sie gekommen sind. Auf seiner Twitter-Seite hat der Vorsitzende der „Liberalen Vielfalt in Berlin“, Eren Güvercin, mehrere Sammelpunkte aufgeführt, von denen Wähler kostenlos zu den Generalkonsulaten zur Stimmabgabe gebracht werden.
Auch in Vergangenheit Wähler mit Bussen zu Wahlurnen transportiert
Im Gespräch mit fr.de von IPPEN.MEDIA erklärte Güvercin, dass es in der Vergangenheit ähnlich war. „Auch von vergangenen Wahlen kennen wir die Praxis, dass die AKP über ihre Lobbyorganisation UID Busse anmietet und organisiert, um die Wähler zu den Wahlurnen in den Generalkonsulaten zu bringen. Bei dieser Wahl hat das nochmal massiv zugenommen, weil die UID sich diesmal das Ziel gesetzt hat, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Da die Umfragen für die AKP schlecht sind und die Zustimmung in Deutschland für Erdogan wesentlich höher ist, wollen sie diese Wähler unbedingt mobilisieren“, so Güvercin.
Moscheen als Treffpunkt für AKP-Wähler
„Sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern fungieren Gemeinden der DITIB und anderer türkischen Verbände als Treffpunkt für die Wähler, von dort sie dann zu den Generalkonsulaten gefahren werden.“ Offiziell zeigt sich die Ditib als politisch neutral gegenüber der Türkei. Nach Angaben der UID hatte es alleine zwischen Juni 2021 und Dezember 2022 rund 670 „gemeinsame Veranstaltungen“ mit der Ditib gegeben. Zu diesen Veranstaltungen hat sich die Ditib bislang jedoch nicht geäußert.