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Erdogan orientiert sich an Putin: Türkei ähnelt immer mehr Russland

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Erdogan und Putin werden vor allem von Geschäftsleuten gestützt, die sich über Milliardenaufträge freuen dürfen.

Ankara - Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan* ist weiterhin bei seinem Volk beliebt. Das hat er vor allem Wirtschaftsgrößen zu verdanken, die von der Opposition auch als „Fünfer-Bande“ bezeichnet werden. Diese fünf Geschäftsleute haben einen Großteil der Wirtschaft in der Türkei* unter sich aufgeteilt und bekommen die großen staatlichen Aufträge.

Dabei handelt es sich um Mehmet Cengiz (Cengiz Holding), Nihat Özdemir (Limak Holding), Orhan Cemal Kalyoncu (Kalyon Group) Naci und Celal Koloğlu (Kolin Holding) und Mehmet Nazif Günal (MNG Holding). Sie bauen vor allem Brücken, Straßen, Flughäfen und sind zudem an Medienunternehmen beteiligt.

Recep Tayyip Erdogan hat sich Wladimir Putins System zum Vorbild genommen.
Recep Tayyip Erdogan hat sich Wladimir Putins System zum Vorbild genommen. © Alexander Zemlianichenko/dpa

Türkei: Erdogan verklagt Oppositionsführer Kilicdaroglu

Für den türkischen Präsidenten kommt die Kritik an der „Fünfer-Bande“ zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. 2023 wird in der Türkei ein neues Parlament gewählt. Die wirtschaftliche Lage in der Türkei hat sich ohnehin verschlechtert. Die offizielle Inflation liegt bei über 60 Prozent.

Deswegen will Erdogan jetzt verhindern, dass Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (CHP) ihn als Geldeintreiber der „Fünfer-Bande“ bezeichnet. Erdogan hat deswegen Kilicdaroglu auf Schadensersatz von 1 Million türkische Lira verklagt*, wenn dieser den türkischen Staatschef noch einmal so oder ähnlich bezeichnen sollte. Ein Gericht in Ankara gab Erdogan recht.

Türkei: Oppositionsführer Kilicdaroglu rudert nicht zurück

Trotz des Gerichtsbeschlusses macht Oppositionsführer Kilicdaroglu mit seiner Kritik demonstrativ weiter. „Ja, du dienst der ‚Fünfer-Bande‘“, sagte er auf einer Gruppensitzung der CHP. In den vergangenen fünf Jahren hätten diese fünf Unternehmen Staatsaufträge im Wert von 203 Milliarden türkischen Lira vergeben. Und wer diese Aufträge bekomme, werde dafür sicherlich auch eine Provision erhalten, sagte Kilicdaroglu bei einer Gruppensitzung seiner Partei in Richtung Erdogan, der ihn gerne noch einmal verklagen könne.

Türkei: „Erdogan ist sechster Partner der ‚Fünfer-Bande‘“

Ähnlich sieht es auch der Türkei-Experte und Politikwissenschaftler Prof. Dr. Savas Genc im Gespräch mit fr.de*: „Es gibt diese ‚Fünfer-Bande‘ und jeder weiß, dass der sechste Partner Erdogan ist. Das wissen vor allem die Unternehmer, die von staatlichen Aufträgen praktisch ausgeschlossen sind.“

Die Opposition sieht die Ursache für die Wirtschaftskrise vor allem in den Zahlungen und Aufträgen für die „Fünfer-Bande“. Kilicdaroglu verspricht, Erdogan und die „Fünfer-Bande“ an dem Tag vor Gericht zu stellen, an dem der türkische Präsident und seine Regierungspartei AKP* die Wahlen verliere.

Türkei: Immer mehr Parallelen zu Russland

Nach Angaben von Genc erinnert die Türkei in den Strukturen immer mehr an Russland*. Was dort die Energieunternehmer seien, seien in der Türkei die Mega-Bauunternehmer. Beide Länder könnten zudem die Welt erpressen – der russische Präsident Wladimir Putin* mit seinen Energieressourcen und Erdogan mit Millionen Geflüchteten, die er momentan von den europäischen Grenzen fernhalte. In beiden Ländern seien zudem die Justiz und der Großteil der Medien zu Parteiorganen des Regimes verkommen, kritisiert Genc.

Prof. Dr. Sevas Genc, Politikwissenschaftler und Türkei-Experte
Prof. Dr. Sevas Genc, Politikwissenschaftler und Türkei-Experte © privat

Trotz katastrophaler Wirtschaftszahlen könne in beiden Ländern beobachtet werden, wie beide Staatschefs fest im Sattel sitzen. In beiden Ländern würden Demonstrationen im Keim erstickt und Oppositionspolitiker in Gefängnisse gesteckt. In den Medien beider Länder höre man kaum etwas darüber.

Türkei: HDP-Abgeordnete und Bürgermeister weiterhin im Gefängnis

In beiden Ländern ist zudem die Opposition sehr schwach. Besonders die pro-kurdische HDP steht in der Türkei immer wieder unter Druck*. Der ehemalige Co-Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtas, sitzt seit November 2016 mit vielen weiteren Abgeordneten seiner Partei im Gefängnis*.

Ähnlich sieht es mit den Bürgermeistern in kurdischen Städten aus. Obwohl die HDP bei den Kommunalwahlen dutzende kurdische Städte eingenommen hat, ließ Erdogan viele Bürgermeister festnehmen und sie durch Zwangsverwalter ersetzen. (Erkan Pehlivan) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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