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Fünf Jahre nach Putschversuch in der Türkei: Festnahme trotz Schwangerschaft

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Auch fünf Jahren nach dem versuchten Putsch in der Türkei werden in dem Land Schwangere unter dem Vorwand der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation festgenommen.

Ankara – Seit dem Putschversuch in der Türkei 2016 halten die Massenverhaftungen in dem Land an. Betroffen davon sind Lehrer:innen, Juristin:innen, Student:innen und viele andere. Ihnen allen werden Terrordelikte und Verrat vorgeworfen. Wer verurteilt wird, muss für Jahre ins Gefängnis. Es spielt keine Rolle, ob die Betroffenen schwer krank, schwanger oder stillende Mütter sind.

Zweiter Jahrestag des Putschversuchs in der Türkei
Zweiter Jahrestag Putsch-Versuch in der Türkei © dpa/Emrah Gurel

Nach dem Putschversuch in der Türkei: Schwangere werden weiterhin festgenommen

Seit dem misslungenen Putsch in der Türkei* werden immer wieder vermeintliche politische Gegner festgenommen. Eines der jüngsten Opfer ist Asli Ünlü. Die im fünften Monat schwangere Mutter wurde am Sonntag (10.04.2022) inhaftiert und ins Gefängnis von Edirne gebracht. Zuvor wurde die Frau zu einer Haftstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Die Strafe muss jedoch vom Appellationsgericht (istinaf mahkemesi) bestätigt werden. Nach ihrer Ankunft bekam Asli Ünlü Schmerzen und wurde am Montag (11.04.2022) in ein Krankenhaus eingeliefert.

Die Schwangere Asli Ünlü mit ihrem Sohn Muhammed vor ihrer Inhaftiertung in der Türkei
Die Schwangere Asli Ünlü mit ihrem Sohn Muhammed vor ihrer Inhaftiertung in der Türkei © Emre Ünal

Derzeit befindet sich Ünlü in einer Quarantäne-Zelle des Gefängnisses von Edirne. Dorthin werden die Gefangenen als erstes gebracht, bevor sie in ihre regulären Zellen verlegt werden. Sie teilt sich den Haftraum für die nächsten Tage mit einer ehemaligen Richterin und einer Lehrerin.

Die Schwangere Asli Ünlü feiert den Geburtstag ihres Sohnes Muhammed in der Türkei
Die Schwangere Asli Ünlü feiert den Geburtstag ihres Sohnes Muhammed in der Türkei © Emre Ünlü

Nach dem Putsch-Versuch in der Türkei: Kinder lernen Begriffe wie Inhaftierung

In einem Gespräch berichtet uns Emre Ünlü, ihr Ehemann, dass er seine Frau gestern sehen durfte. Sie habe weiterhin Schmerzen und mache sich Sorgen um ihn und den gemeinsamen vierjährigen Sohn Muhammed. „In den ersten zwei Tagen nach der Verhaftung meiner Frau hat Muhammed nur geweint“, erzählt Vater Emre Ünlü. Sein Sohn habe jetzt Begriffe wie „Festnahme“ kennengelernt. Das Kind verstehe die Welt nicht mehr, erzählt der Vater traurig. Auch hier hat der Putschversuch in der Türkei* eine Familie auseinandergerissen.

Versuchter Putsch in der Türkei am 15. Juli 2016

Am Abend des 15. Juli 2016 fand in der Türkei ein Putschversuch statt. Seither wurden Hunderttausende Menschen festgenommen und viele von ihnen zu langjährigen Haftstrafen wegen Terrordelikten verurteilt. Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht als Drahtzieher des Umsturzversuchs den seit 1999 in den USA im Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen und seine Anhänger. Gülen selbst bestreitet die Vorwürfe. Die Hintergründe für den Putschversuch sind bis heute nicht geklärt.

Asli Ünlü wurde zu sechs Jahren und 3 Monaten Gefängnis wegen der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation verurteilt. Auf ihrem Mobiltelefon war die Messenger-App ByLock installiert. Für die türkischen Gerichte ist das ein Grund um als Anhänger der Gülen-Bewegung angesehen und damit als Mitglied einer Terrororganisation verurteilt zu werden.

Nach dem Putschversuch in der Türkei: Verhaftung von Schwangeren illegal?

Die Verhaftung von Schwangeren ist heftig umstritten. Die türkische Justiz könnte damit gegen eigene Gesetze verstoßen. „Das türkische Strafrecht verbietet es, Schwangere ins Gefängnis zu stecken. Auch nach der Entbindung dürfen die Frauen nichts ins Gefängnis verlegt werden,“ sagt die ehemalige Richterin Tugba Demir von den „Crossborder Jurists,“ einem Verein von geflüchteten Exiljuristen in Köln. Nach türkischem Recht werde die Strafe in solchen Fällen ausgesetzt, bis das Baby mindestens sechs Monate alt ist.

Ehemalige Richterin Tugba Demir von Crossborder Jurists
Ehemalige Richterin Tugba Demir von Crossborder Jurists © Privat

Hunderte Frauen, die schwanger oder krank sind, wurden seit dem Putschversuch in der Türkei festgenommen. Wer aus politischen Gründen in Haft sitzt, kann nur sehr schwer auf Gnade hoffen, weiß Tugba Demir zu berichten. (Erkan Pehlivan) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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