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Journalismus in der Türkei: Weiterhin 63 Frauen und Männer im Gefängnis

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Immer noch sind 63 Journalist:innen in der Türkei inhaftiert. Auch im Exil fürchten Medienschaffende aus dem Land Repressalien.

Ankara - Auch fast sechs Jahre nach dem Putschversuch 2016 in der Türkei dutzende Journalist:innen in den türkischen Gefängnissen. „Die Zahl der inhaftierten Medienschaffenden liegt bei 63“, so der im italienischen Exil lebende Journalist Ismail Sagiroglu von Jailed Journos, einer Plattform, die sich für inhaftierte Journalist:innen in der Türkei einsetzt.

Türkei: Über 600 Journalist:innen in vergangenen sechs Jahren verhaftet

Wie viele Medienschaffende in der Türkei in den vergangenen sechs Jahren verhaftet wurden, kann nicht exakt gesagt werden. „Seit dem Putschversuch sind mehr als 600 Journalist:innen verhaftet worden,“ sagte Veysel Ok, der als Rechtsanwalt auch den deutschen Journalisten Deniz Yücel in der Türkei verteidigt hat, in einem Interview im Oktober 2021 in der Journalist Post. Gegen tausende Medienschaffende, die derzeit in Freiheit sind, liefen weiterhin Ermittlungen.

Stacheldraht  um das türkische Gefängnis in Silivri in Istanbul. Dort sitzen viele Journalist:innen ein.
Stacheldraht um das türkische Gefängnis in Silivri in Istanbul. © Lefteris Pitarakis/dpa

Türkei: Vorwürfe gegen die Presse

In der Regel werden den Betroffenen Terrordelikte, Umsturzversuche und Beleidigungen von Präsident Recep Tayyip Erdogan vorgeworfen. Ok kritisiert, dass die Betroffenen nicht in Gefängnissen in ihren Heimatstädten gesteckt werden, sondern in fernen Orten. Dadurch sei es für ihre Rechtsanwälte schwieriger, ihre Mandant:innen zu verteidigen. Zudem werden so auch die Familien der Medienschaffenden bestraft, weil sie jetzt stundenlang anreisen müssen um ihre Angehörigen in den Haftanstalten zu besuchen.

Die Zahl der Journalist:innen in den türkischen Gefängnissen würde höher sein, wenn nicht rund 300 Medienschaffende nach dem Putschversuch ins Exil geflüchtet wären. Etwa 150 von ihnen sind nach Deutschland geflohen, schätzt die von Exiljournalist:innen aus der Türkei gegründete „International Journalists Association“ in Deutschland.

Exiljournalist Ismail Sagiroglu von Jailed Journos beobachtet die Lage der Journalist:innen in der Türkei
Exiljournalist Ismail Sagiroglu von Jailed Journos © privat/Ismail Sagiroglu

Auch im Ausland sind Exil-Journalist:innen aus der Türkei gefährdet

Auch im Exil müssen Medienschaffende um ihr Leben fürchten. Der in Berlin lebende türkische Journalist Erk Acarer wurde im Juli 2021 vor seinem Wohnhaus von drei Angreifern verletzt. Ahmet Dönmez erwischte es schlimmer. Der Exil-Journalist wurde am 18. März 2022 von einem Auto angefahren. Als er ausstieg, wurde er von einer Gruppe bis zur Bewusstlosigkeit zusammengeschlagen. Den Angriff musste seine sechs-jährige Tochter im Auto beobachten. Mehrere Tage musste Dönmez in der Intensivstation behandelt werden.

Beide Journalisten hatten in der Vergangenheit über die Verbindungen von Regierungsmitgliedern zur Mafia berichtet. Auch der kurdisch-alevitische Journalist und Schriftsteller Aziz Tunc geht davon aus, dass auch er und andere Exiljournalist:innen in Deutschland angegriffen werden können.

Aziz Tunc, kurdisch-alevitischer Journalist und Schriftsteller aus der Türkei lebt heute im deutschen Exil
Aziz Tunc, kurdisch-alevitischer Journalist und Schriftsteller aus der Türkei © privat/Aziz Tunc

„Das, was Erk Acerer und anderen Exiljournalist:innen widerfahren ist und noch Schlimmeres, kann mit uns auch passieren. Der türkische Geheimdienst MIT kann jederzeit in Aktion treten“, erzählt Tunc im Gespräch mit fr.de. Gegen Tunc laufen in der Türkei mehrere Verfahren. Bei einer Einreise würde er verhaftet werden. Mehrere geflüchtete Journalisten bekommen immer wieder Warnungen von Beamten der Landeskriminalämter. Sie sollten vorsichtig sein, da sie gefährdet seien. (Erkan Pehlivan)

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