Türkei: Gewerkschaft sieht Inflation bei 160 Prozent
Offiziell liegt die Inflation in der Türkei bei rund 70 Prozent. Nun hat eine Studie herausgefunden, dass die Lebensmittel um 160 Prozent offenbar teurer geworden sind.
Ankara – Laut offiziellen Zahlen des staatlichen Statistikamtes „TÜIK“ liegt die Inflation in der Türkei bei knapp 69,97 Prozent. Die Gewerkschaft „Birlik Kamu Is“ kommt in ihrer Studie mit dem Titel „Inflation des Volkes“ (Türkisch: Halkin Enflasyonu) auf andere Zahlen. Die Lebensmittelpreise etwa seien demnach im Mai um durchschnittlich 159,6 Prozent gestiegen.
Alleine zum Vormonat lägen die Preise für Lebensmittel um 9,2 Prozent höher als zum Vormonat. Die Gewerkschaft hat bei ihrer Studie die am meisten verbrauchten 64 Lebensmittel verglichen.
Inflation in der Türkei: Gemüse wird 422 Prozent teurer als 2021
Besonders die Preise für Obst (+ 243 Prozent) und Gemüse (+ 422 Prozent) haben innerhalb eines Jahres Rekordwerte erzielt. Auch die Preise für Fleisch und Fisch (+ 115,6 Prozent) sowie Milch und Eier (+ 93,8 Prozent) sind nach Berechnungen der Autorinnen und Autoren der Studie in den vergangenen zwölf Monaten stark gestiegen.

Die Gewerkschaft wirft in ihrer Studie der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan eine falsche Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik vor. „Dadurch steigt die Gefahr des Hungerns,“ schreibt die Gewerkschaft Birlik Kamu Is. Zudem bestehe bei den gigantischen Preissteigerungen die Gefahr, dass sich die Bürgerinnen und Bürger unzureichend und ungesund ernähren würden. Besonders für junge Menschen könnte das in der Zukunft ernsthafte gesundheitliche Probleme nach sich ziehen.
Auch Türkische Lira verliert an Wert
Neben den steigenden Lebensmittelpreisen steht auch die Türkische Lira (TL) unter Druck. Mittlerweile kostet der US-Dollar über 16 TL und der Euro über 17 TL. Das führt auch dazu, dass vor allem Energie in der Türkei teurer wird. Das Land bezieht sowohl sein Öl und auch Erdgas aus dem Ausland. Die Preise für Energie hatten sich hier im Februar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt.

Den offiziellen Zahlen glauben auch andere Fachleute nicht. Diese würde künstlich niedrig gehalten. Dafür gäbe es verschiedene Gründe, sagt der Wirtschaftsexperte Ömer Güler, vom „Institute for Diplomacy and Economy“ (InstituDE) in Brüssel, unserer Redaktion.
„Die offiziellen Inflationszahlen sind unrealistisch. Das hat viele Gründe. So müssten vor allem die Gehälter der Beamten den Inflationszahlen angepasst werden. Das würde die Staatskasse massiv belasten,“ so Güler. Das selbe gelte auch für die Gehälter in der Privatwirtschaft, was die Unternehmen zusätzlich belasten würde, sagt Güler. Ein Ende der Talfahrt sieht der Wirtschaftsexperte nicht. (Erkan Pehlivan)