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Erdogan rudert zurück: „Wir werden keinen Flüchtling zur Rückkehr zwingen“

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Von: Erkan Pehlivan

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht zunächst davon, rund eine Million Flüchtlinge nach Syrien zurückzuschicken. Nun ändert er seine Meinung.

Ankara - Noch vor wenigen Tagen hatte der türkische Präsident Recep Tayyp Erdogan angekündigt, dass die Rückkehr von einer Million syrischer Flüchtlinge in ihre Heimatländer vorbereitet werde. Die Türkei sei dabei, in Syrien Wohnungen, Arbeitsplätze und andere Infrastrukturprojekte aufzubauen, sagte Erdogan.

Jetzt rückt der türkische Präsident offenbar davon ab. Die syrischen Flüchtlinge können in ihre Heimat zurück, wann immer sie möchten,“ sagte Erdogan bei seiner Rede vor dem Wirtschaftsverband Müsiad. Die Türken würden am besten wissen, was es bedeutet, Flüchtling zu sein und Geflüchtete aufzunehmen. „Wir werden die Flüchtlinge niemals vertreiben“, sagte der türkische Präsident.

Türkei: Abschiebung von Flüchtlingen „illegal“ und „unrealistisch“

Die prominente Vorsitzende der CHP in Istanbul, Canan Kaftancioglu, glaubt nicht daran, dass man die Flüchtlinge abschieben könne. Es sei nicht realistisch, alle Flüchtlinge abzuschieben, gab Kaftancioglu in einer Diskussionsrunde auf Twitter bekannt. Damit würde die Türkei gegen internationales Recht verstoßen. Das Land bräuchte jetzt ein Flüchtlingsstopp. Auch der ehemalige Wirtschaftsminister und Vorsitzende der „Deva Partisi“, Ali Babacan, sieht eine Abschiebung syrischer Flüchtlinge als unmöglich an. So etwas sei illegal.

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, bei einer Pressekonferenz. (Symbolfoto)
Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei © Türkisches Präsidialamt/dpa

Die Migrationsforscherin Basak Yavcan von der Universität Liege sieht die Diskussion um die Abschiebung von Flüchtlingen nüchtern. „Die Zurückschicken von einer Million syrischer Flüchtlinge in ihre Heimat ist nichts Neues. Erdogan hatte das auch früher schon gesagt,“ so Yavcan. Offenbar wolle Erdogan das Thema nicht der Opposition überlassen. Mit der Zunahme der wirtschaftlichen Probleme in der Türkei steige auch die Unzufriedenheit in der türkischen Öffentlichkeit – auch unter den Anhänger:innen von Erdogan, sagt die Migrationsforscherin. Ein weiteres Problem sieht Yavcan in dem mangelnden Informationsfluss über Flüchtlinge in der Türkei durch staatliche Stellen, dass zu sog. Fake News und Verschwörungsmythen führe. Dadurch steige die Unzufriedenheit im Volk.

Basak Yavcan, Migrationsforscherin an der Universsität Liege, sieht eine Abschiebung von 1 Million syrischer Flüchtlinge für unmöglich an
Basak Yavcan, Migrationsforscherin an der Universität Liege und TOBB-Universität Ankara. © Basak Yavcan

Eine Abschiebung von so vielen Flüchtlingen hält Yavcan für nicht realistisch. „Viele syrische Kinder sind in der Türkei geboren und sprechen auch kein Arabisch.“ Es sei daher eher wahrscheinlich, dass Binnenflüchtlinge in den von der Türkei kontrollierten Gebieten in Nordsyrien angesiedelt werden können,“ sagt die Forscherin, die auch an der TOBB Universität in Ankara lehrt.

CHP: Viele syrische Flüchtlinge arbeiten ohne Papiere und Schutz

Nach Informationen der türkischen Flüchtlingsorganisation „Mülteciler Dernegi“ leben derzeit in der Türkei 3,76 Millionen Flüchtlinge aus Syrien. Die Zahl der illegal Geflohenen schätzt die CHP auf etwa 1 Million. Viele der Betroffenen werden illegal beschäftigt – ohne Papiere und zu Niedriglöhnen. Die meisten von ihnen sei minderjährig. Für den Staat bedeutet das vor allem Einnahmeausfälle, da weder die Unternehmen noch die Betroffenen Steuern zahlen. (Erkan Pehlivan)

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