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Türkei: Verurteilung von Osman Kavala sorgt für Empörung

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Osman Kavala wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Menschenrechtsorganisationen und Opposition sehen hinter dem Urteil Präsident Erdogan.

Istanbul - Die Verurteilung des Kulturförderers Osman Kavala zu lebenslanger Haft sorgt weltweit für Empörung. „Dieser Prozess ist und war ein politisches Verfahren frei von Rechtsstaatlichkeit, mit sogar für türkische Verhältnisse atemberaubend lächerlichen Anklagen,“ sagt PEN-Präsident Deniz Yücel in einer Pressemitteilung.

Amnesty International fordert Freilassung von Osman Kavala

Ähnlich sieht es auch Amke Dietert, Türkei-Expertin bei Amnesty International in Deutschland. „Die Vorwürfe gegen Osman Kavala sind konstruiert und die Anklagen gegen ihn politisch motiviert.“ Deswegen müsse Kavala sofort freigelassen werden. Das Urteil sei eine Missachtung der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Europarates, teilt die Menschenrechtsorganisation mit.

Erdogan wirft Kavala Finanzierung der Gezi-Proteste vor
Erdogan wirft Kavala Finanzierung der Gezi-Proteste vor © Wiktor Dabkowski/dpa

Erdogan sendet Warnung an Kritiker

„Das Urteil wurde im Präsidenpalast gefällt“, sagt der Politikwissenschaftler und Türkeiexperte Savas Genc. Mit dem Urteil werde ein Signal an all jene gesendet, die auf den Straßen gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan demonstrieren wollten. Damit sage Erdogan: „Denkt nicht mal dran, sonst endet ihr wie Kavala lebenslang hinter Gittern.“

Das Urteil diene dazu, die Zivilgesellschaft zu schwächen. Ähnlich sei es auch in den Fällen des Co-Vorsitzenden der HDP, Selahattin Demirtas oder des Verfassungsrichter Alparslan Altan gewesen, die beide weiterhin inhaftiert seien, sagt der ehemalige Staatsanwalt in der Türkei und Co-Vorsitzende der Exiljuristen-Organisation „Crossborder Jurists“ Mehmet Bakir Özkan. „Das Hauptproblem in der Türkei liegt darin, dass die Gerichte in der Türkei unter der Kontrolle unter der Regierung von Präsident Erdogan stehen,“ sagt Özkan im Gespräch mit der FR.

Mehmet Bakir Özkan, Co-Vorsitzender Crossborder Jurists
Mehmet Bakir Özkan, Co-Vorsitzender Crossborder Jurists © Crossborder Jurists

CHP und HDP protestieren gegen Urteil gegen Osman Kavala

Ähnlich sieht es auch der CHP-Abgeordnete Sezgin Tanrikulu. „Die Anklageschrift wurde im Präsidentenpalast verfasst. Auch das Urteil wurde dort gefällt. Im Gericht wurde nur das Urteil verlesen,“ empört sich Tanrikulu.

In dem Urteil würden die demokratischen Forderungen zunichtegemacht, teilt die pro-kurdische Partei HDP auf Twitter mit. „Das zeigt, wie sehr die Regierung Angst vor dem Volk hat“, so die HDP in ihrer Mitteilung.

Erdogan lobt türkische Justiz und Demokratie

Präsident Recep Tayyip Erdogan hingegen sieht sich bestärkt durch das Urteil. „Das Vertrauen in unsere Justiz wächst immer mehr. Unsere Demokratie wird stärker“, sagt der türkische Staatschef nach dem Urteil gegen Kavala. Am Tag der Urteilsverkündung hatte Erdogan Richterinnen und Richter von den Höchstgerichten zum gemeinsamen Fastenbrechen eingeladen.

Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Rede
Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Rede © Türkisches Päsidialamt/dpa

Hintergrund im Kavlala-Prozess

Dem seit dem 1. November 2017 in Untersuchungshaft sitzenden Osman Kavala wird vorgeworfen, hinter den sogenannten Gezi-Protesten von 2013 zu stecken. 2020 wurde er zunächst freigesprochen, dann jedoch erneut angeklagt, diesmal wegen Beteiligung am Umsturzversuch 2016 und Spionage. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fordert in beiden Verfahren die sofortige Freilassung.

Im Januar hob ein Berufungsgericht die Freisprüche im Gezi-Prozess gegen Kavala und weitere acht Mitangeklagte auf. Im Februar 2021 wurde die Anklage gegen den Kulturförderer wegen „versuchten Umsturzes der verfassungsmäßigen Ordnung“ und Spionage mit der Gezi-Park-Anklage wegen „versuchten Sturzes der Regierung“ zusammengelegt. (Erkan Pehlivan)

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