Nach Erdbeben in der Türkei: 1100 Kinder in islamistischen Sekten-Einrichtungen untergebracht

Immer mehr Kinder aus der Erdbebenregion in der Türkei tauchen in islamistischen Einrichtungen auf. 1100 Kinder sind in Heimen der Menzil-Sekte untergebracht.
Adiyaman – Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei waren rund 60 Kinder, die ihre Eltern verloren hatten, in mehreren Unterkünften der islamistischen Hilfsorganisation „IHH“ in Istanbul aufgetaucht. Ein Dutzend weiterer Kinder war in einer Koran-Schule der ebenfalls islamistischen „Ismail-Aga-Gemeinde“ in Sakarya aufgetaucht. Der Fall hatte für Entsetzen in der Opposition geführt.
1100 Kinder nach Erdbeben in Türkei in Sekten-Einrichtungen untergebracht
Offenbar sind aber noch mehr Kinder aus der Erdbebenregion in Einrichtungen von Islamisten untergebracht worden. Nach Recherchen des türkischen Journalisten Ismail Ari vor Ort seien über 1100 Kinder in einem Dorf in Kahta, einem Bezirk der Stadt Adiyaman, in Unterkünften der islamistischen Sekte „Menzil Gemeinschaft“ einquartiert. „In dem Dorf, in dem auch die Führungspersonen der Gemeinschaft leben, waren die Sicherheitsmaßnahmen auch vor dem Erdbeben sehr streng. Aufnahmen mit dem Handy waren verboten“, schreibt Ari in seinem Bericht für die Zeitung Bir Gün. Überall in dem Dorf gebe es Polizisten und Soldaten, die aufrecht stünden, sobald einer der Leitungspersonen der Sekte an ihnen vorbeikäme.
Das türkische Familienministerium hingegen hatte drei Tage nach dem Erdbeben in einer Stellungnahme behauptet, dass verwaiste Kinder nur in staatliche Obhut genommen werden könnten. „Eine Übergabe der Kinder an eine andere Person oder Einrichtung als unser Ministerium kommt auf keinen Fall infrage. Unsere Bürger werden gebeten, sich nicht auf solche Stellen zu verlassen“, heißt es darin.
Sekten in der Türkei bekommen Geld von Regierung
Die Kinderkommission der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP sieht die Stellungnahme aus dem Familienministerium als nicht ausreichend an. Der Staat sei verpflichtet , die Betreuung und Sicherheit der Kinder zu übernehmen, heißt es in einer Erklärung der HDP, in der die AKP-Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert wird. „Diese Situation zeigt uns einmal mehr die Realität einer Regierung, die seit 20 Jahren eine exklusive, organische Beziehung zu den ihr nahestehenden Sekten und Gemeinschaften aufgebaut hat. Bei jeder Gelegenheit versucht sie, das Erdbeben als Chance zu nutzen und Geld an diese Gruppen zu übertragen.“
Auch die Co-Vorsitzende der HDP, Pervin Buldan, bekräftigt die Verantwortung der Regierung. „Alles, was den Kindern zustößt, liegt in der Verantwortung des Familienministeriums. Wir werden den gesamten Prozess beobachten“, erklärte Buldan in der vergangenen Woche bei einer Parteisitzung. (ep)