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„Ausmaß zu spät festgestellt“: Experte zieht düsteres Fazit nach Erdogans Erdbeben-Einsatz

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Von: Erkan Pehlivan

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Die Kritik an der AKP-Regierung wegen den anhaltenden chaotischen Zuständen im Erdbebengebiet in der Türkei wächst.

Ankara – Auch am fünften Tag nach dem Erdbeben bleibt die Lage in der Türkei chaotisch. Betroffene klagen über mangelnde Hilfen und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst weiter.

Auch die Opposition kritisiert, dass die Regierung und die Katastrophenschutzbehörde AFAD nicht ausreichend für solche Fälle gewappnet sind. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (CHP) zitierte in den sozialen Medien beispielsweise einen AFAD-Bericht zum verheerenden Erdbeben in Düzce im Jahr 1999. Dieser zeigt demnach, dass bereits damals eklatante Mängel festgestellt wurden.

Türkei: Bericht über Erdbeben von 1999 bestätigt Mängel bei Katastrophenschutz

„Wir konnten nicht koordinieren, Versammlungsplätze wurde falsch ausgewählt, Hilfen kamen zu spät, Zelte konnten nicht überprüft werden. Es gab keine Einheit, die das Rettungspersonal koordiniert hat. Es konnte keine Koordinierungseinheit geschaffen werden. Es gab Probleme bei der Essensverteilung. AFAD-Personal für den Transport kam erst nach zwei Tagen zum Katastrophenort“, zitiert Kilicdaroglu aus dem Bericht.

Erdbeben in der Türkei
Chaos nach dem Erdbeben in der türkischen Region Hatay. © Jöran Steinsiek / Imago Images

Zudem heißt es demnach darin, dass die AFAD es damals nicht geschafft habe, ein vernünftiges Team zur Feststellung der Schäden zusammenzustellen. Statt aus Bauingenieuren sei deswegen ein Team aus Lehrern und Imamen zusammengestellt worden.

Chaotische Verhältnisse in Türkei nach dem Erdbeben – heute wie damals

Die aktuellen, chaotischen Zustände im Erdbebengebiet bestätigt auch die türkische Ärztekammer TTB (Türkiye Tabipler Birligi). Es gebe weiterhin ernste Defizite in der Organisation der Gesundheitsversorgung im Katastrophengebiet, heißt es in einer Mitteilung. „Die Erstversorgung ist nahezu gestoppt“, schreiben die Ärztinnen und Ärzte. Zudem gäbe es ernsthafte Probleme bei der Versorgung mit Medikamenten. Für die Gesundheitsversorgung in den betroffenen Gebieten sei dringend Wasser, Elektrizität sowie Treibstoff nötig, fordern sie eindringlich.

Ausmaß der Erdbeben-Katastrophe zu spät festgestellt

Die schlechte Koordinierung in den Katastrophengebieten bestätigt auch der Erdbebenexperte Ismail Büyükay, der früher für die Hilfsorganisation „kimse yokmu“ tätig war. Vor allem aber habe man zu spät reagiert. „Das Ausmaß der Zerstörung ist zu spät festgestellt worden. Diese hätte in den ersten drei bis fünf Stunden festgelegt werden müssen. Erst einen Tag später wurde Hilfe aus dem Ausland gerufen“, bemängelt der Experte für Katastrophenhilfe im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA. Das sei zu spät gewesen und viele Menschenleben seien dadurch verloren gegangen.

Türkische Opposition HDP fragt nach Verbleib von Erdbebensteuer

Unterdessen fragt die türkische Opposition weiterhin nach dem Verbleib der Milliarden aus der Erdbebensteuer. Das Geld sollte eigentlich für die Erdbebensicherheit ausgegeben werden. „Die mangelnden Vorkehrungen haben aus dem Erdbeben eine Katastrophe gemacht. Wie kann eine Stadt komplett zerstört werden. Hatay wurde durch diese Regierung schon lange ihrem Schicksal überlassen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der pro-kurdischen HDP im Parlament. Nicht das Erdbeben, sondern die Inkompetenz der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan sei Schuld am Tod der Menschen, betonte er.

Auch der Abgeordnete Bülent Tezcan kritisierte im Parlament, dass die Regierung in der Türkei zu spät reagiert habe. Die Menschen waren sofort bereit zu helfen, aber nicht der Staat, „obwohl es ein Einmann-Staat sei“, kritisierte Tezcan. Ein Ausnahmezustand sei nicht notwendig, um den Erdbebenopfern zu helfen. Erdogan hätte genug Befugnisse dafür. „Ihm fehlt es aber an den Fähigkeiten“, so der Abgeordnete. (Erkan Pehlivan)

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