1. Startseite
  2. Politik

Tragen Sanktionen zu einem Ende des Kriegs bei?

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

„Es deutet immer mehr darauf hin, dass Sanktionen Wirkung entfalten.“ Archivbild einer Demo in Finnland.
„Es deutet immer mehr darauf hin, dass Sanktionen Wirkung entfalten.“ Archivbild einer Demo in Finnland. © Teemu Salonen/dpa

Die Macht des Kreml beruht auf einem Deal mit den Oligarchen. Der gerät ins Wanken, wenn die Sanktionen wirken, analysiert Philipp Lausberg vom European Policy Centre.

Pünklich zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine verabschiedete die EU ihr zehntes Sanktionspaket gegen Russlands Wirtschaft, Finanzen und Elite. Der Gedanke hinter den seit Februar letzten Jahres immer weiter ausgeweiteten Maßnahmen: Die russische Wirtschaft soll geschwächt oder gar zum Kollaps gebracht werden, so dass Moskau seinen Krieg gegen die Ukraine nicht mehr erfolgreich weiterführen kann. Doch wie realistisch ist ein solches Szenario?

Während es anfangs wenig Anzeichen für ihren Erfolg gab, deutet immer mehr darauf hin, dass die Sanktionen ihre Wirkung entfalten. Vor allem die Ausfälle für den russischen Staatshaushalt aufgrund stark fallender Öl- und Gaseinnahmen machen sich bemerkbar.

Russland konnte bisher Europa als vormals größten Abnehmer seiner fossilen Brennstoffe nicht ersetzen. Vor allem Gas lässt sich nicht so leicht und günstig ohne bestehende Pipelineinfrastruktur woandershin exportieren, während die Ausfuhr von Öl und LNG per Schiff in Drittstaaten durch die Ölpreisbremse der G7 weniger lukrativ geworden ist. Im Januar schlug ein Defizit von 25 Milliarden Euro zu Buche. Zudem rutschte Russland 2022 in eine Rezession – eine Entwicklung, die sich dieses Jahr großer Wahrscheinlichkeit nach verstärken wird.

Russland kann zwar auf einen Staatsfonds von 155 Milliarden Dollar zurückgreifen, doch dieses Geld schmilzt bei fortwährend hohen Militärausgaben und geringeren Einnahmen dahin. Hinzu kommt, dass im Westen gelagerte Staatsreserven in Höhe von 300 Milliarden Euro eingefroren wurden. Dieses Geld fehlt Russland zur Finanzierung des Krieges. Während der Kreml bisher keine Probleme hatte, den Krieg zu finanzieren, könnte sich dies in Zukunft also ändern.

Sanktionen, die mit Sicherheit bereits Wirkung auf das Kriegsgeschehen hatten, sind Exportverbote von Hightechprodukten wie Mikrochips oder Sensoren. Russland muss sparsamer mit seinen modernen Waffen umgehen, beispielsweise mit Drohnen und Präzisionsraketen, die auf westliche Mikroelektronik angewiesen sind. Für die Terrorkampagne gegen ukrainische Städte musste das russische Militär teilweise auf iranische Billigdrohnen zurückgreifen, die relativ leicht abzuschießen sind. Dies hat sicherlich Menschenleben gerettet.

Zur Serie und zur Person

Philipp Lausberg ist Politik-Analyst am „European Policy Centre“ in Brüssel und lehrt Internationale Politische Ökonomie an der katholischen Universität Lille (Frankreich).

Die Menschen in der Ukraine brauchen Frieden, aber es herrscht Krieg. Welche Wege können zum Frieden führen? Welche Rolle soll Deutschland dabei spielen?

In der Serie #Friedensfragen suchen Expertinnen und Experten nach Antworten auf viele drängende Fragen. Dabei legen wir Wert auf eine große Bandbreite der Positionen – die keineswegs immer der Meinung der FR entsprechen. FR

Alle Artikel finden sich auch auf www.fr.de/friedensfragen

Es gibt jedoch Hinweise, dass Russland Hightech für seine Rüstungsindustrie aus zivilen Importen wie Waschmaschinen oder Digitalkameras aus Zentralasien und dem Kaukasus erhält, wo solche Produkte vermehrt aus dem Westen importiert werden. Mikrochips und Optik aus solchen sogenannten Dual-Use-Gütern wurden bereits in abgeschossenen russischen Raketen und Drohnen gefunden. Um so etwas zu verhindern, sollte Deutschland gemeinsam mit internationalen Partnern Anreize für Drittstaaten schaffen, eingeführte Hightech-Produkte nicht weiter an Russland zu exportieren. Kooperative Länder könnten mit Zollerleichterungen belohnt werden, während eine Fortsetzung des Weiterverkaufs von Dual-Use-Gütern wie Haushalts- oder Unterhaltungselektronik nach Russland mit Einfuhrstopps oder schlechteren Handelsbedingungen bestraft werden könnte.

Außerdem sollten Sanktionen gegen Putins Umfeld verstärkt werden, da dies die Macht des Kriegsherrn im Kreml direkt untergraben könnte. Putins Herrschaft beruht auf einem Deal mit den Oligarchen: Diese mischen sich nicht in die Politik ein und dürfen dafür ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgen.

Dieser Pakt scheint gefährdet, da viele einflussreiche Russen durch die Sanktionen enorm an Geld verloren haben. Kremlinsider berichten von einem zunehmend isolierten Putin, der nicht mehr als unantastbar gelte. Weitere Einreiseverbote in die EU sowie die Beschlagnahmung von Vermögen nicht nur von Oligarchen, Beamten und Propagandisten, sondern auch von dem von ihnen alimentierten Umfeld könnte den Druck noch erhöhen. Damit es zu einer Revolte der Elite gegen den Kremlherrscher kommen sollte, müsste es allerdings weitere schwere Misserfolge für Russland auf dem Schlachtfeld geben.

Allein können Sanktionen deshalb wohl kaum Frieden bringen. Sie können aber zusammen mit Waffenlieferungen an die Ukraine einen wichtigen Bestandteil einer Strategie bilden, um die Offensivkraft der russischen Armee zu schwächen und die Macht des Kremls zu untergraben. Dies könnte die Kosten für Putin mittelfristig so weit in die Höhe treiben, dass er entweder zu substanziellen Zugeständnissen bereit wäre oder von neuen Kräften abgelöst würde, die den Krieg beenden wollen.

Auch interessant

Kommentare