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Tränen, Trauma und Terror

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Brennende Fahrzeuge in einem Öldepot in Makijiwka.
Brennende Fahrzeuge in einem Öldepot in Makijiwka. © dpa

Wieder russische Angriffe auf die letzte ukrainische Stellung in Mariupol / Merkwürdiges Manöver in Belarus

Die Zahlen sprechen eigentlich für sich: 120 in Saporischschja angekommen, noch 200 in den Kellergewölben des Asowstal-Werkes in Mariupol gefangen – und mit ihnen noch rund 2000 ukrainische Soldaten; die anderen, die Glücklichen, die Verzweifelten, sind Zivilpersonen. Die 120 konnten die UN von Dienstag auf Mittwoch aus dem Kampfgebiet an der Schwarzmeerküste herausholen. Die verbliebenen 200 hoffen noch auf ihre Rettung, darunter sollen noch 30 Kinder sein. Ein weiterer Konvoi startete am Mittwochmorgen. Vielleicht kommt er durch.

Bei den auf ukrainischer Seite im frontnahen Saporischschja angekommenen Menschen überwiegen fassungslose Erleichterung und traumatisierte Ruhe. Während UN, Hilfsorganisationen und ukrainische Behörden sich um die Geretteten bemühen, stehen Angehörige der Verteidiger von Asowstal abseits, fast schon verschämt, und halten blau-gelbe Kartons hoch, auf denen sie um die Rettung der Soldaten bitten.

So sieht der 70. Kriegstag in der südlichen Ukraine aus. Im fernen Moskau gibt sich Verteidigungsminister Sergej Schoigu frohgemut: Die Ukrainer im Mariupoler Stahlwerk seien „sicher blockiert“. Warum dann am Mittwoch die russischen Raketenangriffe auf das Werk wieder zugenommen haben, entzieht sich allen westlichen taktischen Verständnisses.

Oder wie es der britische Generalstabschef, Admiral Sir Antony Radakin dem „Wall Street Journal“ sagte: Die russische Führung habe seit den Kämpfen um Kiew nichts dazu gelernt „und ihre Entscheidungsprozesse werden nur noch schlimmer“. Das Vorgehen Moskaus sei gekennzeichnet von „einem schockierenden Mangel an Frontaufklärung“ und „unglaublicher Arroganz“. Mit anderen Worten: Sir Antony gibt mehr auf die Fähigkeiten der ukrainischen Streitkräfte.

Um das quasi zu unterstreichen, jagten die Ukrainer am Mittwoch mittels Rakete ein Treibstofflager in Makijiwka in der prorussischen „Volksrepublik Donezk“ in die Luft. Das Inferno beeindruckte die Russen offenbar so sehr, dass ihre Zensur es verpasste, die Verbreitung von Bildern des Feuers zu verhindern.

Auf ukrainischer und westlicher Seite ist man aber alarmiert ob dessen, was in Belarus geschieht: In der weißrussischen Grenzregion Brest wurde ein Raketenwerfer-Verband unterwegs gesichtet. Und die Regierung in Minsk hat auch noch ihre schnelle Eingreiftruppe spontan ins Manöver geschickt.

Das Umfeld des Diktators Aleksandr Lukaschenko beeilte sich zu versichern, die Übung berge „keine Gefahr, weder für die europäische Gesellschaft im Ganzen noch für die Nachbarländer im Besonderen“. Das Verteidigungsministerium hatte via Telegram-Kanal verbreitet, zur Inspektion der Truppe müssten „die Truppenteile und Einheiten Aspekte der Gefechtsbereitschaft, des Marschs in die befohlenen Einsatzgebiete und der Durchführung von Gefechtsaufgaben einüben“. Das Manöver dient demnach der Abwehr von Boden- und Luftangriffen. Die Anzahl der beteiligten Truppenteile würden schrittweise vergrößert.

Nicht zum ersten Mal seit Kriegsbeginn am 24. Februar unternimmt Minsk militärische Aktionen, die als Beginn einer Waffenhilfe für Moskau gedeutet werden könnten. Bislang aber hat sich der nicht zimperliche Lukaschenko bemüht einen Balanceakt zwischen Ost und West aufrechtzuerhalten. mit dpa

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