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„Wie ein Albtraum“: Tochter von Jamshid Sharmahd erhöht nach Todesurteil im Iran Druck auf Bundesregierung 

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Von: Clemens Dörrenberg

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Die Tochter des in Teheran zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd sorgt sich um ihren Vater. Sie fürchtet seine baldige Hinrichtung.

Los Angeles/Teheran – Als Gazelle Sharmahd die Nachricht vom Todesurteil ihres Vaters erhielt, konnte sie es zunächst kaum fassen. „Das ist wie ein Albtraum. Man denkt erst, es ist ein Film. Man denkt, es ist nicht passiert“, sagt sie in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ihr 67-jähriger Vater Jamshid Sharmahd wurde in Teheran wegen eines angeblichen Terroranschlags zum Tode verurteilt.

Im Juli 2020 war Sharmahd auf Geschäftsreise in Dubai, als er vom iranischen Geheimdienst entführt und in den Iran verschleppt wurde. Bei mehreren Schauprozessen in Teheran sei er zur Aussage gezwungen worden, so seine Tochter. Laut der iranischen Justiz soll er mit ausländischen Geheimdiensten zusammengearbeitet haben.

Tochter des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd macht Druck

„Das muss ernst genommen werden“, sagt Gazelle Sharmahd, die in Los Angeles lebt. Dort, wohin die Familie vor 20 Jahren – von Deutschland aus – ausgewandert ist. Mit sieben Jahren war Jamshid Sharmahd aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Danach war er nur einmal in seinem Geburtsland: zur Hochzeit mit Gazelles Mutter. Gazelle und ihr Bruder sind in Hannover aufgewachsen. Der Vater ist Ingenieur und betrieb in Hannover ein Computerfachgeschäft.

„Es muss jetzt was passieren“, sagt Gazelle Sharmahd und betont dabei das Wort „jetzt“. Dann fügt sie hinzu: „Er könnte jeden Moment hingerichtet werden.“ Bereits in den vergangenen Monaten, während der Inhaftierung ihres Vaters, hatte sie sich mehrmals zu Wort gemeldet und gesagt, es müsse mehr Druck auf den Iran ausgeübt werden. „Bisher gab es nur Worte“, berichtet sie. „Bla, bla, bla. Null konkrete Maßnahmen.“

Justiz: Deutsch-Iraner in Teheran zum Tode verurteilt
Im Teheran zum Tode verurteilt: Der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd. © Koosha Falahi/Mizan/dpa

In einer Stellungnahme vom vergangenen Dienstag (21. Februar) hatte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) das Todesurteil als „absolut inakzeptabel“ bezeichnet. Weiter hatte Baerbock gesagt, der Richterspruch werde eine „deutliche Reaktion“ zur Folge haben, zumal sich der Bund schon zuvor „immer wieder und hochrangig für Herrn Sharmahd eingesetzt“ habe. Als direkte Reaktion hatte Baerbock am Mittwoch (22. Februar) zwei iranische Diplomaten ausweisen lassen.

Gazelle Sharmahd stellt das nicht zufrieden. Sie und ihre Familie hätten immer nur mit der Öffentlichkeitsabteilung des Auswärtigen Amtes sprechen können, alles sei nur vermittelt. „Wir bekommen keinen Zugang.“ Dabei sieht sie eine Unterstützung durch die deutsche Bundesregierung als einzige Chance.

Keine Hilfe von den USA für Jamshid Sharmahd nach dessen Todesurteil im Iran

Aus den USA, wo die Familie schon zwei Jahrzehnte gelebt hat, könne sie keine Hilfe erwarten. Die US-amerikanische Regierung „spielt die Staatsbürgerkarte“: Gazelle Sharmahd selbst sei US-Amerikanerin, ihr Vater jedoch nicht. Deshalb halte sich die Regierung von US-Präsident Joe Biden zurück. Dabei habe Jamshid Sharmahd 20 Jahre in dem Land gelebt und Steuern gezahlt: „Die müssen Verantwortung übernehmen!“

2003, nachdem die Familie nach Kalifornien gezogen war, habe sich Jamshid Sharmahd verstärkt darum bemüht, unterdrückten Stimmen aus dem Iran Gehör zu verschaffen. So sei ihr Vater in den Fokus der Mullahs geraten, vermutet die Tochter. Ein Revolutionsgericht hatte Sharmahd neben weiteren Anklagepunkten für einen Terroranschlag verantwortlich gemacht. Diese Meldung hatte das Justizportal Misan am vergangenen Dienstag (21. Februar) veröffentlicht. Überprüfen lassen sich die Vorwürfe nicht.

Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd sitzt seit mehr als 900 Tagen in Einzelhaft

Gazelle Sharmahd ist davon überzeugt, dass das Todesurteil gegen ihren Vater nach insgesamt acht Schauprozessen auch größere politische Dimensionen hat. Sie denkt, dass das Urteil mit den Sanktionen gegen den Iran und mit der Ausladung des Landes von der Münchner Sicherheitskonferenz (17. bis 19. Februar) zusammenhängt. „Das sind Machtspiele“, sagt sie.

Nach mehr als 900 Tagen Einzelhaft sei ihrem Vater jegliche Lebensenergie geraubt worden. „Das ist Folter“, sagt Gazelle Sharmahd. Er sei völlig abgemagert, Zähne seien ihm ausgeschlagen worden. Wie sein Gesundheitszustand genau ist, wisse sie nicht. Doch die gelernte Krankenschwester ahnt nichts Gutes. „Ich habe ihn zweieinhalb Jahre lang nicht mehr gesehen, anderthalb Jahre lang nicht mehr mit ihm gesprochen.“ (Clemens Dörrenberg)

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