Sarrazin will trotz Ausschlussverfahrens mitwählen

Die SPD darf Thilo Sarrazin ausschließen. Der wehrt sich – und will die neue Parteispitze trotzdem mitwählen.
Aktualisierung, 12. Juli, 09:20 Uhr: Sein möglicher Rauswurf aus der SPD hält Thilo Sarrazin nicht davon ab, sich an der geplanten Mitgliederbefragung zur neuen Parteispitze zu beteiligen. „Ja, natürlich werde ich mitwählen. Ich werde mir vorher die Kandidaten sehr genau anschauen“, sagte der 74-Jährige der „Bild“-Zeitung (Freitag). Zuvor hatte das Parteigericht des Berliner SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem Sarrazin Mitglied ist, für einen Ausschluss des früheren Berliner Finanzsenators plädiert - und war damit einem Antrag der Parteispitze gefolgt. Allerdings ist die Entscheidung in erster Instanz nicht rechtskräftig.
Sarrazins Anwalt kündigte am Donnerstag an, sein Mandant werde Berufung einlegen und notfalls durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht gehen. Das könnte Jahre dauern.
Sarrazin, der zeitweise auch im Vorstand der Bundesbank war, bleibt also vorerst SPD-Mitglied. Von September an sollen sich die Kandidaten für die SPD-Spitze auf 20 bis 30 Regionalkonferenzen deutschlandweit vorstellen. Danach können die rund 426.000 SPD-Mitglieder per Brief oder online über sie abstimmen. Das Ergebnis soll am 26. Oktober feststehen - wenn es keine Stichwahl geben muss. Den Gewinner will der Vorstand beim Parteitag am 6. bis 8. Dezember zur Wahl vorschlagen.
Aktualisierung, 12. Juli, 09.00 Uhr: War es klug vom SPD-Parteivorstand, das Verfahren gegen Thilo Sarrazin einzuleiten? FR-Leitartikler Tobias Peter beantwortet diese Frage mit einem klaren Nein. Und warum? Weil eine jahrelange Auseinandersetzung Sarrazin Gelegenheit geben wird, sich in der Opferrolle zu präsentieren. Und das tut er ganz schamlos.
Was aber wäre die Alternative gewesen? Die SPD hätte versuchen sollen, Sarrazin so gut es geht rechts liegen zu lassen, ohne ihm weitere Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Berliner AfD bietet Thilo Sarrazin Parteibeitritt an
Aktualisierung, 15:05 Uhr: Nach dem Urteil des Parteigerichts hat die Berliner AfD Thilo Sarrazin zum Parteieintritt eingeladen. Falls die SPD den Buchautor und Politiker aus der Partei verbannen sollte, verstoße sie gegen die Regeln innerparteilicher Demokratie, so der Berliner AfD-Landesverband. Gegen das Urteil solle Sarrazin klagen. „Alternativ laden wir ihn ein, bei uns mitzuarbeiten", heißt es weiter. Bei der AfD könne Sarrazin "mit seinen mutigen Thesen“ Gehör finden.
Aktualisierung, 12.35 Uhr: Thilo Sarrazin will das Urteil des Parteigerichts nicht akzeptieren. Sein Anwalt kündigte an, Sarrazin werde Berufung dagegen einlegen und notfalls durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof und zum Bundesverfassungsgericht gehen.
Aktualisierung, 12.30 Uhr:
Thilo Sarrazin kritisiert die Entscheidung eines Parteigerichts, wonach er aus der SPD ausgeschlossen werden darf. „Die SPD hat heute eine falsche Entscheidung in erster Instanz getroffen“, sagte der 74-Jährige am Donnerstag der „Bild“-Zeitung. „Es ist schade, dass sie nicht die Kraft fand, eine andere Entscheidung im Interesse der Meinungsfreiheit und der innerparteilichen Demokratie zu treffen. Die heutige Entscheidung wird den Niedergang der SPD nicht aufhalten.“ Er habe nie für möglich gehalten, „dass man wegen seiner Meinung verfolgt und ausgeschlossen wird“, so Sarrazin.
Aktualisierung, 12.20 Uhr: Die AfD hat Thilo Sarrazin nach dem Urteil des SPD-Schiedsgerichts zum Eintritt in ihre Partei eingeladen. Wenn die SPD den wegen seiner migrationskritischen Thesen umstrittenen Politiker ausschließe, verstoße sie gegen Regeln innerparteilicher Demokratie, erklärte der Berliner AfD-Landesverband am Donnerstag. Sarrazin solle gerichtlich dagegen vorgehen. „Alternativ laden wir ihn ein, bei uns mitzuarbeiten.“ Es sei zu erwarten, dass Sarrazin „mit seinen mutigen Thesen“ in anderen Parteien kein Gehör finde.
Erstmeldung: Die SPD darf den wegen seiner islamkritischen Thesen umstrittenen Thilo Sarrrazin aus der Partei ausschließen. Das hat ein Parteigericht des SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem der 74-jährige frühere Berliner Finanzsenator Mitglied ist, entschieden. Die dortige Schiedskommission habe der Partei mitgeteilt, dass dem Antrag stattgegeben werde, erklärte Generalsekretär Lars Klingbeil. Zuvor hatten „Bild“ und „Focus“ berichtet.
„Ich begrüße diese Entscheidung ausdrücklich“, sagte Klingbeil. „Wir sehen uns in unserer klaren Haltung bestätigt: Sarrazin hat mit seinen Äußerungen gegen die Grundsätze der Partei verstoßen und ihr Schaden zugefügt. Rassistische Gedanken haben in der SPD keinen Platz.“
Thilo Sarrazin hat die Möglichkeit, Berufung einzulegen
Mit der Entscheidung könnte der dritte Versuch der SPD-Spitze, sich von dem früheren Politiker und heutigen Autor Sarrazin zu trennen, Erfolg haben. In den Jahren 2010 und 2011 scheiterten zwei Anläufe. Allerdings muss die Entscheidung der Schiedskommission noch nicht das letzte Wort sein. Es gibt die Möglichkeit, Berufung einzulegen. Das Verfahren könnte also mehrere Instanzen durchlaufen.
Sarrazin ist wegen migrationskritischer Äußerungen in seinen Büchern umstritten. Der 74-Jährige selbst weist den Vorwurf des Rassismus zurück: Mit seinen Thesen einer schleichenden Spaltung der Gesellschaft durch die starke Zunahme von Einwanderern muslimischen Glaubens beschreibe er lediglich Zustände.
Das Parteigericht in Berlin hatte vor rund zwei Wochen über den Antrag der Parteispitze verhandelt, aber zunächst noch keine Entscheidung gefällt. Diese liegt nun vor und wurde den Beteiligten schriftlich zugestellt.
Sarrazin war von 2002 bis 2009 Finanzsenator in der Hauptstadt. Von Frühjahr 2009 bis Herbst 2010 war er Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank. Der 74-Jährige hatte vor der Verhandlung über seinen Rausschmiss aus der SPD betont, dass er ein „sehr gutes Gefühl“ habe. „Wenn man Recht hat, kann man immer auch ein gutes Gefühl haben.“ (dpa)
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