Bundesverfassungsgericht: Teilerfolg für die AfD

Im Streit über Geld für die rechte Desiderius-Erasmus-Stiftung mahnt das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz an
Der Ausschluss der AfD-nahen Parteistiftung von der finanziellen Förderung des Staates verstößt gegen die Chancengleichheit der Parteien, weil es an einem Gesetz für die Förderungsbedingungen fehlt. Dieses Urteil hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch in Karlsruhe verkündet.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verlangt in seinem Urteil für alle Parteien ein gesondertes Gesetz über die staatliche Förderung. Dort müssen die „Anspruchsvoraussetzungen und die Verteilungskriterien“ geregelt werden. Daran fehle es bisher. Werde eine Stiftung von der Förderung ausgeschlossen, müsse es hierfür eine eigens im Gesetz geregelte Rechtfertigung geben; die müsse den gleichen Rang haben wie die Chancengleichheit der Parteien.
Laut Urteil kommt der Schutz der demokratischen Grundordnung als Kriterium in Betracht. Somit ist nicht ausgeschlossen, dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD künftig von staatlichen Finanzmitteln ausgeschlossen werden könnte.
Doch ohne gesetzliche Grundlage und ohne Rechtfertigung von Verfassungsrang verletzte das Übergehen der AfD-Stiftung jedenfalls 2019 die Chancengleichheit der Parteien, so das Urteil. „Der Ball liegt jetzt beim Gesetzgeber“, sagte die Vizepräsidentin des Gerichts, Doris König, am Mittwoch bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe.
Ob Gelder für die „Desiderius-Erasmus-Stiftung“ für das Jahr 2019 nachgezahlt werden müssen, lässt das Urteil offen. Darüber muss nun wohl der Bundestag entscheiden. Die Vorsitzende der AfD-nahen Stiftung, Erika Steinbach, kündigte in Karlsruhe entsprechende Nachforderungen an.
Bisher werden mit Ausnahme der Desiderius-Erasmus-Stiftung die Stiftungen aller großen Bundestagsparteien durch hohe Zuschüsse gefördert. Für die CDU ist das die Konrad-Adenauer-Stiftung und für die CSU die Hanns-Seidel-Stiftung; die Friedrich-Ebert-Stiftung ist die parteinahe Stiftung der SPD. Die Grünen haben die Heinrich-Böll-Stiftung, die FDP die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Linke die Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Das Gesamtvolumen der finanziellen Förderung betrug 2019 660 Millionen Euro. Allein die Globalzuschüsse aus dem Bundesinnenministerium machten 130 Millionen Euro aus, daneben fließen Gelder aus anderen Bundesministerien.
Für Stipendien, die ebenfalls von den politischen Stiftungen vergeben werden, kommt das Geld vom Bundesbildungsministerium. Die Höhe wurde bisher nach Vorgesprächen und Beratungen des Haushaltsausschusses im Haushaltsgesetz jährlich beschlossen. Im Jahr 2022 wurde erstmals der Vermerk in den Haushaltsplan aufgenommen, dass die finanzielle Förderung der Stiftungen nicht nur von den Wählerstimmen der jeweiligen Partei, sondern auch von der Verfassungstreue der Stiftungen abhängig ist. Nach den Vorgaben des Urteils dürfte solch ein Vermerk nicht ausreichen.
Die politischen Stiftungen sind organisatorisch und inhaltlich unabhängig. Aber der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts stellt im aktuellen Urteil ausführlich dar, dass die jeweiligen Parteien von deren Arbeit „erheblich profitieren“. Das Urteil zitiert einen Sachverständigen, der die politischen Stiftungen als Think Tanks für ihre Parteien bezeichnete. Außerdem bildeten Stipendiat:innen der Stiftungen ein „Personalreservoir für Wahlwerberinnen und Wahlwerber“. Es sei „realitätsfern anzunehmen, dass der Einsatz dieser Mittel keine Relevanz für den politischen Wettbewerb entfalte“, so das Urteil wörtlich. Kritisch wird im Urteil angemerkt, dass trotz mehrfacher Stimmverluste von Union und SPD bei Bundestagswahlen die staatlichen Fördermittel ihrer Stiftungen gestiegen seien.
Die Klage der AfD hatte aus formalen Gründen nur für das Haushaltsjahr 2019 Erfolg. Die Anträge für andere Jahre wurden beim Bundesverfassungsgericht zu spät gestellt. Über Zahlungen für das Jahr 2022 wird das Bundesverfassungsgericht gesondert entscheiden. Grund ist, dass der Antrag der AfD für das Haushaltsjahr 2022 erst kurz vor der mündlichen Verhandlung im Oktober 2022 einging, so dass die Zeit für die Stellungnahme des Bundestages zu kurz war.