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China und Deutschland: Floskeln für Baerbock, ein „herzliches Willkommen“ für Lindner

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Von: Sven Hauberg

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Annalena Baerbock und Qin Gang
Außenministerin Annalena Baerbock empfing am Dienstag ihren Amtskollegen Qin Gang in Berlin. © Michael Kappeler/dpa

Bei seinem Berlin-Besuch traf Chinas Außenminister erneut auf eine resolute Annalena Baerbock. Finanzminister Lindner wartet hingegen weiter auf ein Treffen mit seinem Amtskollegen.

München/Berlin – Es waren widersprüchliche Signale, die am Montag aus China kamen. Zunächst verkündete Peking überraschend, dass Außenminister Qin Gang schon am nächsten Tag in Berlin auf seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock treffen werde. Baerbock, die im April in China war, habe Qin zu einem Gegenbesuch eingeladen, hieß es. Ebenso überraschend und nicht weniger kurzfristig ploppte wenig später eine weitere Nachricht auf: China habe den für Mittwoch geplanten Peking-Besuch von Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner abgesagt, angeblich aus „terminlichen Gründen“, wie Lindners Ministerium mitteilte. Auf den chinesischen Vorschlag, das Treffen mit Chinas Finanzminister Liu Kun ein paar Tage später nachzuholen, habe man nicht eingehen können, hieß es weiter.

Über die Gründe für die Absage des Lindner-Besuchs wird auch am Tag danach munter spekuliert. Hat in Chinas Ministerialbürokratie ein Mitarbeiter schlichtweg bei der Terminplanung geschlampt? Muss Liu wirklich zu einem Treffen mit Staatschef Xi Jinping außerhalb von Peking, wie zu hören war? Oder ist es doch ein gezielter diplomatischer Affront, weil sich Lindner in der Vergangenheit, auch in der jüngeren, immer wieder kritisch über Chinas Russland-, Hongkong-, Taiwan- und Menschenrechtspolitik geäußert hat?

„Herr Finanzminister Lindner ist natürlich herzlich in China willkommen“

Gegen letztere Lesart spricht, dass Außenminister Qin Gang am Dienstagnachmittag wie angekündigt nach Berlin zu Annalena Baerbock flog – die ebenfalls nicht im Verdacht steht, allzu China-freundlich zu sein. Von einem Reporter gefragt, ob China etwas gegen Lindner habe, huschte ein Lächeln über Qins Gesicht, bevor er erklärte: „Herr Finanzminister Lindner ist natürlich herzlich bei uns willkommen“. Dass der Besuch verschoben werden musste, habe lediglich „technische Gründe“ gehabt, die man bitte „nicht überinterpretieren“ solle.

Ansonsten hatte Qin Gang für Baerbock vor allem altbekannte Floskeln im Gepäck. So forderte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz erneut eine „politische Lösung“ für den Ukraine-Krieg und behauptete, China spiele in dem Konflikt eine „konstruktive Rolle“ und sei gar ein „Wahrer des Weltfriedens“. Allerdings verlangte Qin erneut nicht, dass Russland seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen müsse; auch die russischen Kriegsverbrechen verurteilte er nicht.

Annalena Baerbock hingegen wiederholte einen Satz des südafrikanischen Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu, jetzt passgenau gemünzt auf Peking: „Neutralität bedeutet, sich auf die Seite des Aggressors zu stellen.“ Wenn Peking davon spreche, die Prinzipien des Völkerrechts müssten aufrechterhalten werden – dann gelte das selbstverständlich auch für die Ukraine. China, so Baerbock, „kann als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eine bedeutende Rolle zur Beendigung des Krieges spielen, wenn es sich dazu entscheidet“.

Chinas Außenminister warnt Deutschland vor wirtschaftlicher Entkopplung

Mit Blick auf eine andere Weltkrise sagte Qin: „Dass Taiwan zurückfällt an China, ist ein Bestandteil der internationalen Ordnung.“ Peking betrachtet die demokratisch regierte Inselrepublik als abtrünnige Provinz. Baerbock wiederum sprach davon, dass die Lage in der Taiwan-Straße auch für Deutschland eine „Sicherheitsrelevanz“ habe. Qin Gang warnte Deutschland zudem davor, sich wirtschaftlich von China zu entkoppeln – die USA versuchten auf diese Weise, die Welt auch wirtschaftlich in einen „neuen Kalten Krieg“ zu stürzen, kritisierte er.

Einigkeit herrschte lediglich in einem Punkt: dass China und Deutschland ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel und für die Erhaltung der Biodiversität erhöhen müssten. Peking komme dabei eine „Schlüsselrolle“ zu, betonte Baerbock. Sie lobte zudem das „neugewonnene Tempo“ in den Beziehungen zu China – Baerbocks Berliner Gespräch mit Qin Gang war nach ihrem Besuch in Peking und einem Treffen auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar bereits die dritte Begegnung der beiden Minister in diesem Jahr.

Chinas Spionagegesetz sorgt für Unruhe in Deutschland

Noch bevor Baerbock und Qin in Berlin vor die Presse traten, hatte in Straßburg Olaf Scholz für einen gemeinsamen europäischen Weg im Umgang mit China geworben. Vor dem EU-Parlament sagte der Kanzler am Dienstagvormittag, die Beziehung zu Peking sei mit dem Dreiklang „Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“ zutreffend beschrieben – wobei aber die letzteren beiden Aspekte seitens Chinas zugenommen hätten.

Für Unruhe in Teilen der deutschen und europäischen Wirtschaft hatte zuletzt die Verschärfung von Chinas Spionagegesetz gesorgt. In den vergangenen Tagen gerieten auf Grundlage der neuen Bestimmungen mehrere international tätige Beratungsfirmen ins Visier der chinesischen Behörden. Im Gespräch mit Qin forderte Baerbock nun faire Bedingungen für deutsche Unternehmen in China.

China warnt vor Sanktionen der EU

Für Unmut in Peking sorgt wiederum, dass schon bald auch chinesische Unternehmen wegen ihres Engagements im Ukraine-Krieg mit Sanktionen der EU belegt werden könnten. Die betroffenen Unternehmen sollen Komponenten an Russland geliefert haben, die auch militärisch nutzbar sind. „Wir liefern keine Waffen an Krisenländer oder Krisenregionen“, sagte Qin Gang nun in Berlin – und drohte für den Fall, dass die EU tatsächlich Sanktionen beschließen sollte, eine „strenge Reaktion“ an. Der „normale wirtschafliche Austausch“ zwischen China und Russland dürfe nicht gestört werden, so Qin.

„Wie Sie sehen, gibt‘s noch viel zu besprechen“, sagte Baerbock am Ende der Pressekonferenz, bevor sie mit Qin Gang zu weiteren Gesprächen verschwand. Viel Stoff also für die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, zu denen am 20. Juni Chinas neuer Ministerpräsident Li Qiang und seine Regierung in Berlin erwartet werden. Wahrscheinlich wird Li auch seinen Finanzminister mit nach Deutschland nehmen. Man darf gespannt sein, welche Empfang ihm Christian Lindner bereiten wird.

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