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Corona in Australien: Sydney kapituliert vor der Delta-Variante

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Bisher galt die Metropole Sydney in Australien als Musterschüler in der Corona-Pandemie – nun wird ein strenger Lockdown verhängt.

Sydney - Bereits am Freitag (25.06.2021) hatte die australische Großstadt Sydney eine Corona-Ausgangssperre für einzelne Stadtteile ausgesprochen. Am Samstag zwang ein Ausbruch der Delta-Variante nun jedoch die gesamte Stadt und ihre Umgebung in den Lockdown. Nachdem ein Limousinenfahrer sich vermutlich bei einer Flugzeugcrew angesteckt hatte, ist der Covid-Ausbruch innerhalb weniger Tage auf mehr als 80 Infizierte angestiegen.

Einige der Infektionen passierten laut der Behörden rein beim Vorübergehen – also durch minimalen Kontakt. Die Ministerpräsidentin des zuständigen Bundesstaates New South Wales, Gladys Berejiklian (Liberal Party), verkündete am Samstagnachmittag deswegen eine strenge zweiwöchige Ausgangssperre.

Die neuen Restriktionen erlauben Bürgerinnen und Bürgern, ihr Haus aus nur wenigen Gründen zu verlassen – um zur Arbeit oder in die Schule zu gehen, für Arztbesuche inklusive Covid-Tests und Impftermine, um anderen Menschen zu helfen oder zum Einkaufen. Auch Sport im Freien ist erlaubt. Das Ziel sei, innerhalb der kommenden Wochen wieder eine Nullübertragung in der Gesellschaft zu erreichen, sagte Berejiklian in einer Pressekonferenz. Der drastische Schritt war laut der Regionalregierung notwendig, da die Kontaktverfolger:innen nicht mehr alle Virusinfektionen nachvollziehen konnten.

Nach der Ausgangssperre: Von den rund fünf Millionen Menschen im Großraum Sydney ist am Montag wenig zu sehen.
Nach der Ausgangssperre: Von den rund fünf Millionen Menschen im Großraum Sydney ist am Montag wenig zu sehen. © Joel Carrett/dpa

Corona in Australien: Viele Einheimische steckten im Ausland fest

Sydney ist wie auch Australien selbst bisher verhältnismäßig gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Mit rund 30.000 Infektionen und 910 Toten hatte der Inselstaat die Viruserkrankung deutlich besser im Griff als der Rest der Welt. Dies verdankt das Land dem recht rigorosen Durchgreifen der Politik.

So hat Australiens Regierung gleich zu Beginn der Pandemie mit weitreichenden Maßnahmen reagiert. Seit dem 20. März 2020 lässt das Land keine ausländischen Reisenden mehr auf den Kontinent. Und auch im Inland schließen die meisten Bundesstaaten ihre Grenzen je nach Covid-Situation im Land.

Dies bescherte den Australiern im Gegenzug ein weitgehend normales Alltagsleben. Die Schattenseite war jedoch, dass zwischenzeitlich bis zu 40 000 aus Australien stammende Menschen im Ausland feststeckten, nachdem die Fluggesellschaften die Flugangebote reduzierten, Preise explodierten und Flüge immer wieder storniert wurden.

Corona in Australien: Grenzen noch bis Mitte 2022 dicht?

Auch die Ausreise ist für australische Bürger:innen und Menschen mit permanenter Aufenthaltsgenehmigung nur über eine Ausnahmegenehmigung möglich. Die Grenzen könnten nach heutigem Stand noch bis Mitte 2022 geschlossen bleiben.

Mit Sydney geht bereits die zweite australische Großstadt in Folge in den Lockdown. Auch Melbourne musste in den vergangenen Wochen wegen der Delta-Variante eine Ausgangssperre ausrufen. Sydneys Corona-Modell galt bisher als der „Goldstandard“ Australiens. Die sogenannte „Test-and-Trace-Strategie“ des Bundesstaates New South Wales wird immer wieder auch vom australischen Premierminister Scott Morrison (Liberal Party) gelobt, der Sydneys Vorgehen in der Vergangenheit bereits als das „nachhaltigste Modell“ bezeichnete.

Corona in Australien: Kontakte engmaschig nachverfolgen

Das Gesundheitssystem in New South Wales ist im Vergleich besser ausgerichtet, auf Covid-Ausbrüche zu reagieren als viele andere Regionen in Australien. So sind die öffentlichen Gesundheitseinheiten in die einzelnen örtlichen Bezirke eingebettet. Dieses dezentrale Gesundheitssystem mit lokalen Distrikten erlaubt ein besseres Management des Virus. Beispielsweise kann die Kommunikation an die jeweilige Gemeinde angepasst werden und Informationen in Gegenden mit einem hohen Anteil nicht englischsprachiger Menschen auch in anderen Sprachen bereitgestellt werden.

In der Vergangenheit waren teils 300 Personen in den Kontaktverfolgungsteams angestellt. Bis ins kleinste Detail versuchen diese dann nachzuvollziehen, wo eine infizierte Person sich aufgehalten hat und welche anderen Menschen potenziell exponiert gewesen sein könnten. Dazu werden beispielsweise Daten, die über eine App gesammelt werden, herangezogen.

So müssen Sydneysider einen QR-Code scannen, bevor sie in Geschäfte, Restaurants oder öffentliche Einrichtungen gehen. Die Teams durchforsten aber auch gemeinsam mit Infizierten deren Terminkalender, Handyfotos oder Quittungen von Einkäufen, um ihr Erinnerungsvermögen aufzufrischen.

BezeichnungCorona
VirusSars-Cov-2
InfektionskrankheitCovid-19

Corona in Australien: Eine Exit-Strategie fehlt

Der aktuelle Covid-Ausbruch in Sydney ist auch eine Folge der schleppenden Impfkampagne Australiens. Nur rund sieben Millionen Impfdosen wurden bisher ausgegeben, etwas mehr als vier Prozent der Gesamtbevölkerung sind vollständig geimpft.

Viele der rund 25 Millionen Australier:innen fühlen die Dringlichkeit einer Impfung nicht so stark im Vergleich zu Menschen aus Ländern, in denen die Pandemie wütete. Ein Großteil ist zudem skeptisch gegenüber den Corona-Impfstoffen eingestellt. Laut einer Modellierung des Burnet-Instituts in Melbourne könnte diese Impfskepsis gepaart mit neuen Covid-Varianten dazu führen, dass Australien längerfristig Ausgangssperren und Restriktionen brauchen wird – so wie die aktuelle in Sydney.

Mehrere Fachleute haben deswegen angemahnt, dass dem Land eine Exit-Strategie fehle. „Teile der Community wollen nach wie vor null Covid-Fälle, aber andere kommen an den Punkt, an dem sie bereit sind, ein paar Fälle in der Community zu akzeptieren“, sagte Margie Danchin, eine Impfstoffforscherin am Murdoch Children’s Research Institute, im Interview mit dem australischen Sender ABC. „Ich denke, auf absehbare Zeit müssen wir lernen, mit Covid zu leben“, sagte die Wissenschaftlerin. (Barbara Barkhausen)

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