Sunaks Jonglage

Die gebeutelte britische Regierung stellt sich neu auf
Wie haucht man einer schwächelnden Regierung neues Leben ein? In Downing Street ist die übliche Antwort darauf eine Kabinettsumbildung. Der konservative Premierminister Rishi Sunak griff am Dienstag zu einem seltener benutzten Mittel: dem Neuzuschnitt von Ressorts innerhalb der Regierungsbürokratie. Im Mittelpunkt stehen neue Ministerien für Forschung und Technik sowie Energie und Klimaschutz.
Seit Sunaks Amtsantritt hat sich die wirtschaftliche Lage des Königreichs zwar stabilisiert, allerdings auf niedrigem Niveau. Als einziges großes Industrieland werde die britische Volkswirtschaft 2023 schrumpfen, sagt der Internationale Währungsfonds voraus. Die Schuldenlast bewegt sich um die 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, die Teuerungsrate bei 10,5 Prozent.
In wichtigen Branchen, darunter bei der Eisenbahn und im schwer gebeutelten Gesundheitssystem NHS, wird seit Monaten gestreikt, ohne dass die Regierung ein Konzept zur Beilegung der Arbeitskämpfe zu haben scheint. Dementsprechend verheerend für die seit 2010 regierenden Torys fallen die Umfragen aus: Die Regierungspartei lag zuletzt bei 24 Prozent hinter Labour mit 50. Weil zudem kleinere Parteien wie die Liberaldemokraten (10) und die rechtspopulistische Reform UK (6) auch profitieren, steht den Torys bei der spätestens im Herbst 2024 erwarteten Unterhauswahl eine katastrophale Niederlage ins Haus.
Als neuer Generalsekretär im Kabinettsrang soll Greg Hands die maulenden und rebellierenden Parteimitglieder für die anstehenden Lokalwahlen motivieren. Sein Vorgänger Nadhim Zahawi war über Steuer-Schummeleien gestolpert. Der 57-Jährige Hands gehörte unter David Cameron schon einmal kurzzeitig dem Kabinett an, war zuletzt mehrfach Handels-Staatssekretär. In Europa erinnert man sich vielleicht an Talkshow-Auftritte des verbindlichen, sehr gut Deutsch und Tschechisch sprechenden Hands. Dabei versuchte der Abgeordnete für die feinen West-Londoner Stadtteile Chelsea und Fulham stets loyal die katastrophale Brexit-Entscheidung seines Landes zu verteidigen; er selbst hatte 2016 für den EU-Verbleib gestimmt.
Ebenfalls mit viel Erfahrung und Medien-Affinität ausgestattet ist Grant Shapps im neuen Ministerium für Energie und Klimaschutz, was allerdings auf eine Labour-Initiative von 2008 zurückgeht. Damals galt Großbritannien bei solchen Zukunftsthemen als Vorreiter. Shapps soll aus einem Klima-freundlichen Umbau der Volkswirtschaft Profit schlagen.
Shapps’ bisherigen Job als Wirtschaftsminister übernimmt in Personalunion die bisherige Außenhandelsministerin Kemi Badenoch; unter ihr wird das wohlbekannte Ressort für Handel und Industrie wiederbelebt. Wirklich neu ist das Ministerium für Forschung und Technik; dessen Leiterin Michelle Donelan bringt aus ihrem bisherigen Aufgabenbereich im Kulturressort den Sektor Digitales mit. Das verkleinerte Haus für Kultur, Medien und Sport leitet nun Ex-Staatssekretärin Lucy Frazer.
Leer ging allerdings Sunaks katastrophale Vorgängerin Liz Truss aus, die von der Tory-Führung weggeputscht wurde, sich aber jetzt zurückmelden will in der Politik mit der populistischen Hetze, ein „linkes Wirtschaftsestablishment“ habe ihr Scheitern zu verantworten.
Labour und Liberaldemokraten kommentierten die Umstellungen ebenso übereinstimmend wie verächtlich als „sinnlos“: Längst sei ein echter Regierungswechsel zur Opposition überfällig. Zudem habe Sunak die Chance verpasst, seinen wegen Mobbings im Kreuzfeuer stehenden Vizepremier Dominic Raab in die Wüste zu schicken.