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„Alptraum der Welt“: Lage im Sudan spitzt sich zu - UN-Vorräte großteils geplündert

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Von: Johannes Dieterich

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Der verwüstete Markt von El Geneina, der Hauptstadt des westlichen Darfur, wohin die Kämpfe nun überschwappen.
Der verwüstete Markt von El Geneina, der Hauptstadt des westlichen Darfur, wohin die Kämpfe nun überschwappen. © AFP

Die Lage im Sudan spitzt sich zu. Zehntausende haben nach UN-Angaben Hauptstadt Karthum bereits verlassen.

Der Vorgang ist zum makabren Ritual geworden. Die Vereinten Nationen oder die US-Regierung geben bekannt, dass Sudans Konfliktparteien einem Waffenstillstand zugestimmt hätten, während die Kämpfe in der Hauptstadt Khartum unvermindert oder sogar heftiger weitergehen. Wieder einmal hatten am Wochenende (29./30. April) sowohl die Armee wie die Rapid Support Forces (RSF) genannte Miliz einer dreitägigen Verlängerung der von der US-Regierung eingefädelten Waffenruhe zugestimmt – nur um am Montag unvermindert weiterzukämpfen.

Über Khartum und dessen Zwillingsstadt Omdurman flogen Kampfjets der Luftwaffe wieder Bombeneinsätze, während RSF-Milizen am Boden ihre Kontrolle über zentrale Teile der Stadt auszudehnen suchten. Streitkräftechef Abdel Fattah al-Burhan und Milizenchef Mohammed Hamdan Daglo (alias Hemeti) bezichtigten sich gegenseitig, für den Bruch des Waffenstillstands verantwortlich zu sein.

Sudan: Humanitäre Lage vor „Bruchpunkt“ - Nahrung, Wasser, Treibstoff gesucht

Unterdessen droht die humanitäre Lage in Khartum nach den Worten des UN-Nothilfekoordinators Martin Griffiths einen „Bruchpunkt“ zu erreichen. Viele der rund fünf Millionen Einwohner:innen der Stadt hätten Schwierigkeiten, an Wasser, Nahrungsmittel oder Treibstoff zu kommen: Vielen fehlten die Mittel, sich in Sicherheit zu bringen. Die Vorratslager der UN-Hilfswerke seien größtenteils geplündert worden, fuhr Griffith fort: „Wir haben kaum noch Bestände, die wir verteilen könnten.“

Am schlimmsten sei das Gesundheitswesen der Stadt betroffen, berichtet die New York Times. Über 70 Prozent der medizinischen Einrichtungen Khartums seien zerstört oder verwaist, mehr als ein Dutzend medizinischer Fachkräfte ums Leben gekommen, Hunderte von Doktor:innen geflohen. RSF-Milizionäre hätten Ärzte entführt, um sie zur Behandlung ihrer Kämpfer zu zwingen, schreibt die Zeitung weiter: In der Stadt verbliebene Mediziner:innen behandelten Menschen teilweise in ihren Wohnungen, an Medikamente zu kommen, sei praktisch ausgeschlossen.

Am Montag teilte das Internationale Komitee des Roten Kreuzes allerdings mit, ein mit acht Tonnen medizinischer Notmittel beladenes Flugzeug sei in der sudanesischen Hafenstadt Port Sudan gelandet.

Flucht aus dem Sudan: 400 Kilometer zu Fuß

Der Strom der Flüchtlinge reißt unterdessen nicht ab: Zehntausende von Einwohnerinnen und Einwohnern hätten Khartum bereits verlassen, teilen die UN mit. Als chaotisch wird sowohl die Lage in der Hafenstadt Port Sudan wie an der am Nil gelegenen Grenze nach Ägypten beschrieben. Dort warteten Hunderte von Flüchtlingen oft tagelang, bis sie die Grenze überqueren können: Obwohl die Beziehungen zwischen den Regierungen in Kairo und Khartum als freundschaftlich gelten, werden vor allem junge Männer oft abgewiesen. Im Hafen Port Sudans warten Tausende von Menschen, um einen Platz auf einer Fähre in die saudische Hafenstadt Jeddah zu ergattern. Und aus dem Südsudan wird von Flüchtlingen berichtet, die die über 400 Kilometer lange Strecke von Khartum zur Grenze zu Fuß zurückgelegt hätten.

Außer aus Khartum werden auch aus den Darfur-Provinzen heftige Kämpfe gemeldet. Vor allem in El Geneina, der Hauptstadt West-Darfurs, soll es in den vergangenen Tagen zu heftigen Kämpfen mit Hunderten von Toten gekommen sein. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen stellte aus Sicherheitsgründen vorübergehend ihre dortigen Tätigkeiten ein.

Die Region ist vom Konflikt zwischen Armee und Miliz besonders betroffen, weil aus ihr ein Großteil der RSF-Kämpfer kommt. Sudans kurzzeitiger Premierminister Abdalla Hamdok warnte am Wochenende in der kenianischen Hauptstadt Nairobi vor einer völligen Desintegration des Landes. Im Sudan könne es noch schlimmer als in Jemen, in Syrien oder Libyen kommen, sagte Hamdok: „Dieser sinnlose Krieg droht zu einem Alptraum der Welt zu werden.“

Britische Pioniere setzen eine Landebahn in Wadi Seidna instand für weitere Rettungsflüge.
Britische Pioniere setzen eine Landebahn in Wadi Seidna instand für weitere Rettungsflüge. © dpa

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