Warum der Konflikt im Sudan gerade jetzt eskaliert - und welche Rolle Putin spielt
Im Sudan tobt ein blutiger Konflikt. Wie kam es dazu? Und welche Rolle spielt Russland im Krisengebiet?
Khartum/Berlin/Köln – Am vergangenen Wochenende fiel im Sudan der erste Schuss. Seitdem herrscht der Ausnahmezustand. Zwischen der sudanesischen Armee und den paramilitärischen Kräften Rapid Support Forces (RSF) kommt es zu landesweit schweren Gefechten. In sehr kurzer Zeit weitete sich der Konflikt aus, ein Bürgerkrieg droht. Selbst am islamischen Feiertag zum Ende des Fastenmonats Ramadan, Eid al-Fitr (Zuckerfest), legten die Konfliktparteien ihre Waffen trotz vereinbarter Waffenruhe nicht nieder. Und die Bevölkerung gerät zwischen die Fronten.
Bis zuletzt rechneten Beobachter:innen offenbar nicht mit einem solch massiven Gewaltausbruch. Anders ist nicht zu erklären, dass Länder wie Deutschland und die USA, die Europäische Union oder die UN erst jetzt Anstrengungen unternehmen, ihre Angestellten und Bürger:innen zu evakuieren. Und das bislang ohne Erfolg: Eine Rettungsmission der Bundeswehr musste aufgrund der schlechten Sicherheitslage im Sudan abgebrochen werden. Der internationale Flughafen liegt inmitten des umkämpften Gebiets.

Konflikt im Sudan: Die Hintergründe der Eskalation
Im Sudan gibt es seit 2013 zwei militärische Akteure: die sudanesische staatliche Armee und die von Ex-Machthaber Omar al-Baschir gegründete paramilitärischen RSF. Die westliche Diplomatie konzentrierte sich in den vergangenen Jahren darauf, die Militärs einzubinden – „Schmusekurs“ statt Sanktionen gegen Generäle, die sich der Entstehung einer Demokratie seit dem Sturz des Langzeit-Diktators al-Baschir widersetzten.
Jetzt also die Eskalation: „Der aktuelle Konflikt hat sich lange angekündigt. Die Streitkräfte und die Rapid Support Forces blicken auf eine jahrelange Rivalität zurück“, sagt Dr. Gerrit Kurtz von der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten der Stiftung Wissenschaft und Politik der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA. Am Samstag waren nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (dpa) Kämpfe zwischen den zwei mächtigsten Generälen des Landes und ihren Einheiten ausgebrochen. Die beiden Männer hatten seit einem gemeinsamen Militärcoup im Jahr 2021 in einer Zweckgemeinschaft das nordostafrikanische Land mit seinen rund 46 Millionen Einwohnern geführt. De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, kämpft mit dem Militär gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der ebenfalls mächtigen RSF des Ex-Machthabers al-Baschir.
Sudan: Keine Chance für Übergabe an eine zivile Regierung
Dabei soll die Macht eigentlich seit Jahren an eine demokratische Zivilregierung übergeben werden. „Kurz bevor im Sudan an eine zivile Regierung übergeben werden sollte, musste das Machtverhältnis zwischen Armee und RSF geklärt werden. Und es wurde klar, dass eine Einigung nicht möglich ist. Das hat zu der Eskalationsspirale geführt, die wir gerade erleben“, analysiert Kurtz.
Zudem droht die Gefahr, dass sich der inner-sudanesische Konflikt über die Landesgrenzen hinaus ausdehnen und die Nachbarländer destabilisieren könnte. „Es gibt erste Berichte, dass ägyptische Militäreinheiten auf Seiten der sudanesischen Armee involviert sind, und dass es kleinere Überstützungen aus Libyen für die RSF gibt“, so der Friedens- und Konfliktforscher. Auch bestehe die Möglichkeit, dass die Paramilitärs sich mit Rebellengruppen, etwa aus Tschad, zusammen schließen.
Sudan-Konflikt: Welchen Bezug haben Russland und Putin?
Eine Lösung des aktuellen Konflikts ist kompliziert. Auch deswegen, weil sie für die Menschen im Sudan nicht darin liegt, dass eine der beiden Seiten obsiegt. Denn es sei die Wahl zwischen Pest und Cholera, meint der Afrika-Experte Kurtz. „Die beste Option wäre es, wenn beide Seiten schnell erkennen, dass keiner gewinnen kann, sich zurückziehen und die Macht an eine Zivilregierung übergeben“, so der Wissenschaftler. Dass es bald zu solch einer militärischen Patt-Situation kommen wird, die auch noch von beiden Seiten als solche akzeptiert wird, ist jedoch zweifelhaft.
Erschwerend hinzu kommt die Verbindung Russlands zum aktuellen Konflikt. Denn der russische Machthaber Wladimir Putin hat seinen Einfluss in dem afrikanischen Staat ausgeweitet und gute Beziehungen zu beiden Konfliktparteien. Auch unterhält der Anführer von RSF beim Goldabbau, Schmuggel, Export und Desinformation in sozialen Medien enge Verbindungen zu der russischen Söldnertruppe Wagner. Welche Rolle Russland in dieser Gemengelage einnehmen könnte, ist noch unklar. Auch, ob sich der Konflikt zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den geopolitischen Machtblöcken, Autokratie und Demokratie, ausweiten wird. Zwei Dinge sind jedoch klar: Ein schnelles Ende der Gewalt ist nicht in Sicht. Und die Demokratisierung im Sudan ist erst einmal gescheitert.