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Die Folgen des Sudan-Konflikts: Vier Szenarien, wie die Situation enden könnte

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Von: Johannes Dieterich

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Fachleute rechnen damit, dass der Konflikt im Sudan lange dauert und in einer Pattsituation endet.
Fachleute rechnen damit, dass der Konflikt im Sudan lange dauert und in einer Pattsituation endet. © AFP

Im Sudan schweigen die Waffen nicht. Wie könnte sich die Lage entwickeln? Vier Szenarien.

Khartum – Achtzehn Tage nach Beginn der Gefechte im Sudan ist die Hoffnung zerstoben, dass es sich bei dem Konflikt zwischen Armee-Chef Abdel Fattah al-Burhan und Milizenführer Mohamed Hamdan Dagalo (alias Hemeti) um einen kurzen Alptraum handeln könnte. Derzeit suchen Zehntausende Menschen die Flucht: Keiner rechnet mehr mit einem schnellen Ende der Gefechte. Das wirft die Frage auf, wie sich die Lage in dem nordostafrikanischen Staat weiter entwickeln könnte: Denkbar sind drei mehr oder weniger wahrscheinliche Szenarien – und ein utopisches.

Sudan-Konflikt: Die Verhandlungslösung

Der deutsche UN-Diplomat Volker Perthes setzt noch immer auf ein Einlenken der beiden Generäle, wohl allein schon aus professionellen Gründen. Perthes meldete zu Beginn der Woche, die beiden Konfliktparteien seien zu Gesprächen in Saudi-Arabien bereit – doch die Glaubwürdigkeit des Sudan-Beauftragten der Vereinten Nationen hat in den vergangenen Wochen Schaden erlitten. Sämtliche von dem Diplomaten zumindest mitausgehandelten Waffenstillstände erwiesen sich als heiße Luft.

Selbst wenn es die beiden Generäle dieses Mal ernst meinen sollten, stellt sich die Frage, was am Ende der Gespräche stehen könnte. Aus politischen und moralischen Gründen könnte das nur die Abdankung der beiden Unheilbringer sein. Für die demokratische Opposition im Sudan ist keine andere Lösung denkbar. Dass sich die beiden Kriegstreiber zum Rücktritt bereit erklären, ist allerdings so gut wie ausgeschlossen. Zu befürchten ist, dass Perthes unter diesen Bedingungen einen weiteren faulen Kompromiss mit den Generälen aushandelt – womit das Problem höchstens vertagt ist.

Ein militärischer Sieg könnte den Sudan-Konflikt ebenso entscheiden

Auch in diesem Fall wäre der Verlierer die sudanesische Bevölkerung. Von beiden Generälen ist die Errichtung eines autokratischen und repressiven Regimes zu erwarten: Dass sie ihre Macht nicht ans Volk abgeben wollen, haben sie in den vergangenen vier Jahren ausreichend deutlich gemacht.

Gewänne Armee-Chef al-Burhan, würde er dem Beispiel seines ägyptischen Pendants, Abdel Fattah el-Sisi, folgen, der derzeit 65 000 Regime-Gegner:innen eingesperrt hält. Mancher ausländischen Regierung – selbst im Westen – mag al-Burhans Sieg als beste Lösung erscheinen, weil dadurch Stabilität gewährleistet sei. Doch Milizen-Chef Hemeti würde nicht einfach die Waffen streichen: Er würde sich mit seinen Kämpfern in seine Heimat Darfur zurückziehen, wird vermutet. Dann ginge der Krieg nur mit veränderten Fronten weiter.

Niemand kann – oder mag – sich ausmalen, was ein Sieg Hemetis bedeuten würde. Er gilt als unberechenbar und verschlagen: Derzeit gibt er sich als Freund der Demokratie aus, doch wenn es für ihn darauf ankommt, lässt er seine Kämpfer eben mal 120 Demonstrierende massakrieren oder putscht eine mühsam ausgehandelte Regierung aus dem Amt. Unter Fachleuten gilt ein Sieg al-Burhans als wahrscheinlicher: Der Armee mit ihren schweren Waffen wird der längere Atem zugesprochen.

Lösungen des Sudan-Konflikts: Die Mogadischu-Option

Was Kennerinnen und Kenner des Landes am meisten befürchten und für am wahrscheinlichsten halten, ist ein langhaltender und militärisch unentschiedener Konflikt, der die Zerstörung des Sudans zu einer „Staatsruine“ nach dem Beispiel Syriens, Libyens oder Somalias zur Folge haben wird. Alle Bedingungen dafür sind gegeben: ein Bürgerkrieg, der Kollaps staatlicher Strukturen, die Flucht des Mittelstands und immer mehr Hunger. Das hätte für die gesamte Region katastrophale Folgen: Flüchtlingsströme in labile Nachbarländer, ungebrochene ausländische Einflussnahme, ein Rekrutierungsbecken für islamische Extremist:innen. Einmal in diesen Strudel geraten, zeigen die Beispiele, gibt es für einen gescheiterten Staat über Jahrzehnte keine Hoffnung.

Die utopische Lösung:

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedet eine Resolution, mit der die beiden Generäle zum Abtritt aufgefordert werden und ihnen Exil eingeräumt wird. Alle Waffenimporte in den Sudan werden verboten, die Treibstofflieferungen für Hemitis Miliz aus Libyen gestoppt, der Hafen in Port Sudan blockiert, nur humanitäre Hilfe wird noch durchgelassen. Al-Burhan und Hemiti wird zum Abtritt eine Frist von zwei Wochen gegeben: Lassen sie diese verstreichen, wird ihr Fall vor den Gerichtshof in Den Haag gebracht. Die internationale Gemeinschaft führt mit den Generälen keine Verhandlungen mehr, als Ansprechpartner gilt das Bündnis der sudanesischen Zivilgesellschaft, die „Forces of Freedom and Change“.

Dass diese Lösung unrealistisch und naiv erscheint, wirft ein dunkles Licht auf das Bestreben, mit dem UN-Sicherheitsrat ein funktionierendes Ordnungsgremium zu haben. Sollten sich die im Sicherheitsrat vertretenen afrikanischen und arabischen Nationen für eine derartige Resolution starkmachen, würde es China und Russland zumindest schwerfallen, ihr Veto dagegen einzulegen. Inzwischen lässt man es allerdings nicht einmal mehr auf einen Versuch ankommen. (Johannes Dieterich)

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