1. Startseite
  2. Politik

Auf der Suche nach dem Sündenbock

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Daniela Vates

Kommentare

"Ich kann nicht erkennen, was wir anders machen müssen", stellt die Kanzlerin fest.
"Ich kann nicht erkennen, was wir anders machen müssen", stellt die Kanzlerin fest. © rtr

In den Reihen von CDU und CSU gibt es Kritik an Merkel und ihrem Wahlkampfteam. Gleichzeitig drängen die Jungen nach vorn.

Angela Merkel hat das Wahlergebnis mit einer Art Schulterzucken abgetan. Sie habe die Proteste erwartet, sagte sie und fügte hinzu: „Ich kann nicht erkennen, was wir anders machen müssen“. In den Unionsparteien hat diese Bewertung für Irritationen gesorgt – die Union ist bei ihrem schlechtesten Ergebnis seit 1949 gelandet und hat in der AfD Konkurrenz von rechts bekommen. Die CSU formuliert es am deutlichsten: Man dürfe nun „nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, so Parteichef Horst Seehofer.

Das bedeutet zunächst mal: Fehleranalyse. Doch die fällt in der Union nicht einheitlich aus: Protestwähler sehen manche als Hauptgrund, andere weisen darauf hin, dass noch viel mehr Unions-Wähler die FDP gewählt hätten – offenbar um damit ein schwarz-gelbes Regierungsbündnis zu ermöglichen. Es geht einher mit der Klage über die Medien, die etwa im TV-Duell zwischen Merkel und Martin Schulz die Flüchtlingspolitik zum Schwerpunkt gemacht hätten.

Allerdings wird auch die Wahlkampfführung von vielen Seiten kritisiert – damit stehen auch Generalsekretär Peter Tauber und Kanzleramtsminister Peter Altmaier als deren Organisatoren in der Kritik. „Ein Wohlfühl-Wahlkampf“ sei das gewesen, kritisiert ein erfahrener CDU-Wahlkampfstratege mit Hinweis auf den CDU-Slogan „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Die CDU habe den Eindruck gemacht, die Augen vor den Problemen des Landes zu verschließen. Ein anderer aus der Parteiführung hält dagegen, die SPD habe in ihrer Kampagne das Land schlecht geredet.

„Recht Flanke abdecken“

In den letzten Wochen hätten die kleinen Parteien die Öffentlichkeit bestimmt. Die hätten noch kleine Parteitage inszeniert: „Wir hatten einfach nur den 27. Auftritt Merkels auf einem Marktplatz.“ Probleme in der Inszenierung sieht auch die Werbeagentur „Jung von Matt“, die die Kampagne gestaltet hat. Sie hat ihr Scheitern eingeräumt. Als Konsequenz hat zunächst die CSU ausgegeben, man müsse „die rechte Flanke“, wieder besser abdecken, dies aber gleich mit dem Hinweis versehen, es handele sich dabei nicht um einen Rechtsruck. Der Ruf nach einer dezidierteren Position in der inneren Sicherheit ist deutlich vernehmbar.

Mindestens genauso laut ist allerdings die Forderung nach mehr sozialpolitischen Schwerpunkten, insbesondere nach Konzepten für Renten- und Pflegereform. Auffällig ist, dass die CSU diesen Bereich fast stärker betont als den der Flüchtlingspolitik. Am 8. Oktober wollen sich CDU und CSU beraten, mit welchen Kernforderungen sie in Koalitionsverhandlungen gehen. In die Richtungsdebatten mischen sich die Karrierewünsche. Den ersten Denkzettel nach der Wahl erwischt Volker Kauder, der bei seiner Wiederwahl zum Unions-Fraktionschef nur 77,3 Prozent der Abgeordnetenstimmen erhält. Kauder habe den Ärger über Merkel und das Wahlergebnis abbekommen, heißt es dazu in der Union.

Das Votum sei aber auch ein Plädoyer für eine Fraktion gewesen, die nicht nur merkel-loyal geführt werde. Außerdem sei es ein Signal der Jüngeren gewesen, dass sie bei der Postenverteilung berücksichtigt werden wollten. Als Unruhezentrum hat man in der Parteiführung den ehrgeizigen Finanz-Staatssekretär Jens Spahn ausgemacht. Er hat schon nach der letzten Wahl auf einen Ministerposten spekuliert, diesmal könnte es tatsächlich etwas werden. Merkel könnte damit einen ihrer schärfsten Kritiker in die Kabinettsdisziplin zwingen.

Auch interessant

Kommentare