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EU-Grundrechtecharta
Straftäter nicht nach Rumänien überstellen
- vonUrsula Knappschließen
Haftbedingungen unterliegen EU-Normen. In Zukunft müssen deutsche Behörden sie genauer prüfen - das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Deutsche Gerichte müssen die Haftbedingungen in Rumänien genauer prüfen, bevor sie einen Straffälligen dorthin überstellen. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch bekanntgegeben und damit den Verfassungsbeschwerden zweier Männer stattgegeben.
Gegen beide besteht ein europäischer Haftbefehl. Die rumänischen Behörden haben von Deutschland die Überstellung beantragt. Das Kammergericht Berlin und das Oberlandesgericht Celle hatten dem stattgegeben. Ihnen war zugesichert worden, dass die Hafträume die Mindestbedingungen von drei beziehungsweise vier Quadratmetern pro Häftling erfüllen. Damit waren nach Ansicht der beiden Gerichte die Mindestanforderungen nach der Europäischen Grundrechtecharta erfüllt und sie stimmten der Überführung zu. Dagegen legten die Betroffenen Verfassungsbeschwerde ein, die jetzt vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts als begründet erachtet wurde. Allein auf die Zellengröße abzustellen, genüge nicht. Es müssten auch weitere Bedingungen abgefragt werden, um eine erniedrigende Behandlung im Gefängnis auszuschließen. Das müssen die Gerichte in Berlin und Celle nun nachholen.
Bedeutung hat der Beschluss auch deshalb, weil der Zweite Senat den Fall erstmals auf Grundlage der Europäischen Grundrechtecharta entschied, nicht nach dem deutschen Grundgesetz. Der Erste Senat hatte in einer Aufsehen erregenden Entscheidung erstmals im November 2019 die europäische Charta angewendet und beschlossen, dass bei voll harmonisiertem europäischem Recht die Charta und nicht das deutsche Grundgesetz primäre Rechtsgrundlage ist. Dem hat sich der Zweite Senat unter der neuen Vorsitzenden und Vizepräsidentin Doris König jetzt erstmals angeschlossen. Viele Beobachter:innen hatten gespannt darauf gewartet, ob der Zweite Senat diesen Weg mitgeht.