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Strack-Zimmermann stellt 250 Anzeigen pro Monat – „Die Morddrohungen häufen sich“

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Von: Katja Saake

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Die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann kämpft gegen Hass und Hetze. Seit dem Ukraine-Krieg ist sie zur Zielscheibe geworden - wie viele deutsche Amtsträger.

Berlin – Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist eine Freundin klarer Worte. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages scheut keine Diskussion und ist in der Debatte um Waffenlieferungen während des Ukraine-Krieges immer wieder durch ihre deutlichen Forderungen nach einem schnellerem und entschiedenerem deutschen Handeln aufgefallen. Die Politikerin ist an Kritik gewöhnt, kämpft aber gegen Hass und Hetze, die ein ungekanntes Ausmaß angenommen haben. Jeden Monat stellt sie hunderte Strafanzeigen wegen Beleidigungen und Morddrohungen. Zu öffentlichen Auftritten geht sie nur noch mit Polizeischutz.

Strack-Zimmermann vor einem Feuerlöscher
Marie-Agnes Strack-Zimmermann wird zur Zielscheibe von Hass und Hetze. © Rolf Vennenbernd/dpa

Hetze gegen Strack-Zimmermann: „Morddrohungen häufen sich“

Die Hetze gegen Strack-Zimmermann habe seit dem Beginn des Ukraine-Konflikts deutlich zugenommen, erklärte ihr Büroleiter Cord Schulz jetzt gegenüber dem Nachrichtenportal Business Insider. Sexistische Beschimpfungen, Hitler-Vergleiche und Gewaltandrohungen - die Hassbotschaften gegen die FDP-Politikerin in den sozialen Medien, in Briefen und E-Mails hätten einen absoluten Höchststand erreicht. Nach jedem öffentlichen Auftritt von Strack-Zimmermann kämen um die 600 neue Hetzbotschaften ins Postfach.

„Die Morddrohungen häufen sich“, so Schulz. Mittlerweile sei ein Anwalt damit betraut worden, justiziable Aussagen in den Kommentaren auszumachen. Am Ende jeden Monats bekäme Strack-Zimmermann dann einen riesigen Stapel Unterlagen auf den Schreibtisch - Hunderte Strafanzeigen, die sie unterschreibe. 250 Anzeigen pro Monat habe Strack-Zimmermann in diesem Jahr gestellt.

Da die Hemmschwelle für Angriffe auf Politiker immer weiter gesunken sei und Anfeindungen auch schon auf kommunalpolitischer Ebene stattfänden, ist es der Politikerin wichtig, Strafanzeige zu stellen:  „Die Leute müssen, auch auf die harte Tour, lernen, dass man mit geistigem Dünnpfiff und drastischen Beleidigungen oder Drohungen nicht ungeschoren davon kommt“, sagte Strack-Zimmermann gegenüber Business Insider. Die Politikerin wird bei den meisten öffentlichen Auftritten mittlerweile von der Polizei geschützt.

Viele Amtsträger in Deutschland werden Opfer von Hass und Hetze

Grundsätzlich geben die Zahlen der FDP-Politikerin recht: Für die Studie „Kommunales Monitoring - Hass, Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträgerinnen und Amtsträgern“ des Deutschen Städtetags wurden 2021 bundesweit alle haupt- und ehrenamtlichen (Ober-)Bürgermeister und Landräte zu ihren Erfahrungen mit Hass und tätlichen Angriffen befragt. Die Ergebnisse zeigen ein hohes Ausmaß an Gewalt gegenüber Amtsträgern in Deutschland. Knapp die Hälfte der Befragten hatten im Amt bereits Anfeindungen in Form von Beleidigungen oder Bedrohungen erlebt. Vier Prozent hatten sogar tätliche Übergriffe erfahren, wozu Schläge, körperliches Bedrängen oder Zerstörung von Eigentum zählten.

Die Anzahl der Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger ist in den Jahren 2020 und 2021 deutlich gestiegen. Während sie 2019 noch bei 1894 lag, stieg sie im Jahr 2020 auf 3752 und 2021 sogar auf 6191 Taten. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass der starke Anstieg auch in einem Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gestanden haben könnte. In der Studie „Kommunales Monitoring“ gaben die befragten Amtsträger beispielsweise an, dass 65 Prozent der Anfeindungen einen direkten Bezug zur Corona-Pandemie aufwiesen und bei einem Viertel der Fälle die Hetze aus einer Bewegung wie der „Querdenker“-Szene stammte.

Dass gesamtgesellschaftlichen Krisenlagen - wie die Corona-Pandemie oder die Ukraine-Krise- und auch politischen Anlässen wie Bundestags- und Landtagswahlen eng mit Wellen von Hetze und Gewalt gegenüber Amtsträgern verbunden sind, zeigen auch aktuelle Zahlen aus Baden-Württemberg. Dort ist die Zahl an Hassdelikten gegenüber Amtsträgern im Jahr 2022 deutlich gegenüber dem Vorjahr gesunken - von 502 auf 384 Straftaten. Das Innenministerium von Baden-Württemberg erklärt dies mit der baden-württembergischen Landtagswahl 2021.

Hatespeech: Bei Frauen geht es direkt unter die Gürtellinie

Während laut der Studie „Kommunales Monitoring“ weibliche und männliche politische Amtsträger in gleichem Maß betroffen von Hass und Hetze sind, identifizieren andere Studien und Experten Politikerinnen als ein deutlich häufigeres Angriffsziel. Auch wenn umstritten ist, ob Politikerinnen tatsächlich öfter attackiert werden als ihre männlichen Kollegen, sind sich viele Experten darüber einig, dass Frauen auf eine andere Weise angegriffen werden. Die NGO HateAid unterstützt Menschen im juristischen Kampf gegen Hass und Hetze und setzt sich besonders gegen hatespeech gegenüber Frauen ein. Die NGO hat ausgerechnet, welche Art von Botschaften Frauen bekommen: Jede zwanzigste Hassnachricht an eine Frau, der HateAid hilft, sei eine Vergewaltigungsandrohung.

Ein Drittel aller Beschimpfungen richteten sich bei Frauen gegen ihr Geschlecht. Bei Männern sei dieser Anteil verschwindend gering, erklärte die Chefjuristin Josephine Ballon gegenüber der FAZ. „Bei Frauen ist es so, dass es direkt unter die Gürtellinie geht“, während Männer wegen ihrer Arbeit oder Position angegriffen würden. „Bei Frauen geht es schnell ins Persönliche. Da geht es schnell um Aussehen, Sexualität, Fruchtbarkeit, beispielsweise ob eine Frau Kinder oder keine hat. Auch sexuelle Gewaltfantasien spielen eine Rolle“, sagt auch die Politikwissenschaftlerin und Rechtsextremismusexpertin Natascha Strobl in einem Interview mit HateAid.

Hass gegen Frauen: Hetze aus Machtmotiven

„Das wesentliche Motiv bei sexueller Beleidigung ist das Machtmotiv“, so Professor Gerd Bohner Professor für Psychologie an der Universität Bielefeld gegenüber der FAZ. „Männer zeigen Frauen damit, dass sie nicht viel zu sagen haben, dass es eine Hierarchie gibt, in der sie unten stehen“. Besonders starke und emanzipierte Frauen wie Politikerinnen wirkten auf diese Männer bedrohlich. Aber nicht nur das Geschlecht, sondern auch die politische Verortung lassen Menschen häufiger zur Zielscheibe von (rechter) Hetze werden.

„Natürlich spielt auch die politische Gesinnung eine Rolle. Wenn man entschieden links ist, wird man als Teil einer Verschwörung und Teil einer Elite gesehen. Da wird ganz gnadenlos gehasst, bis hin zu Vernichtungs-, Gewalt- und Auslöschfantasien“, so Rechtsextremismus-Expertin Strobl.  Die NGO HateAid stellt auch einen Zusammenhang von Hass und Hetze mit dem Ukraine-Konflikt fest: „Unsere Analysen und Beratungen zeigen, dass es eine klare Zunahme von Anfeindungen im Zusammenhang mit Themen im Umfeld des Ukraine-Kriegs gibt“, so Juristin Ballon gegenüber Business Insider. (kasa)

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