Gedenken an den Zweiten Weltkrieg in Kiew: Stolzer Hund, wütender Minister

In Kiew gedenkt man trotz aller Leiden auch dem 9. Mai – aber anders. Für seinen Einsatz im Ukraine-Krieg wird etwa ein Hund ausgezeichnet.
Kiew – Am 75. Tag des Ukraine-Krieges gab es eine Tapferkeitsmedaille. Verliehen vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Beisein des kanadischen Premiers Justin Trudeau an den Minenhund Patron (Ukrainisch für „Patrone“). Dem zweieinhalb Jahre alten Jack Russell Terrier des Staatlichen Notfalldienstes wird das Aufspüren von an die 200 Landminen und Sprengfallen in Tschernihiw zugeschrieben sowie, dass er an der Entschärfung von gut 90 davon beteiligt war.
Die Auszeichnung war wohl als „tierischer“ – und humanitärer – Kontrast zum Militärspektakel auf Moskaus Rotem Platz gedacht. Sie verfehlte nicht ihre Wirkung in den Sozialen Medien. Wie auch die gezielten Äußerungen des britischen Verteidigungsministers Ben Wallace zum Geleit der russischen Siegesfeiern: Wladimir Putin und seine Entourage würden mit ihrer Invasion „den Faschismus und die Tyrannei“ praktisch von Hitler-Deutschland kopieren.
Der Kreml wiederhole „die Fehler der totalitären Regime des vorigen Jahrhunderts“. Laut dem britischen „Guardian“ warf der Konservative Wallace bei einer Rede im britischen Armeemuseum in London der russischen Generalität vor, dass sie und ihre Truppen noch heute „die sowjetischen Merkmale von Amoralität und Korruption“ vor sich hertragen. Der Krieg in der Ukraine entehre Russlands Streitkräfte nur.
Ukraine-Krieg: Unbekannte hacken Übertragung Moskauer Paraden
Die Treffsicherheit gegen die russischen Kriegstreiber setzte sich am Montag (09. Mai) auch in deren wichtigsten Medium fort: Unbekannte hackten die Übertragung der Moskauer Paraden zum 09. Mai und sendeten die Einblendung „An euren Händen klebt das Blut Tausender Ukrainer und Hunderter ermordeter Kinder. Das Fernsehen und die Regierung lügen. Nein zum Krieg!“. Am Sonntag (08. Mai) hatten russische Flieger die Schule des ostukrainischen Dorfes Bilohoriwka bombardiert und dabei rund 60 Menschen getötet, die darin Schutz gesucht hatten.

Am Montag traf eine russische Rakete den alten jüdischen Friedhof von Hluchiw in der Oblast Sumy im Nordosten des Landes. In Charkiw meldeten die Behörden bis zum Nachmittag drei Tote und fünf Verletzte durch Artillerieüberfälle der Invasoren. Im Ort Tsyrkuny nordöstlich von Charkiw starben zwei Frauen, als sie eine Landmine auslösten. Im Donbass zerstörten die Russen eine Kirche im Höhlenkloster von Swjatohirsk, in Horliwka brennt es, Raketen gehen auf Slowjansk nieder und Artillerie beschoss die Raffinerie in Lysychansk.
Russische Infanterie versucht weiterhin, in das Labyrinth von Korridoren und Bunkern unter dem Asowstal-Werk einzudringen. Am südwestlichen Ende des großen Frontbogens im Osten fielen die Nacht hindurch Bomben auf verschiedene Orte in den Oblasten Krywyj Rih, Mykolajiw und Odessa. Der letzte große Schwarzmeerhafen wurde am Montag auch wieder mit Raketen von der Krim aus beschossen. Der Zugverkehr im Südosten ist vorläufig eingestellt. Bei Zhytomyr und Kiew im Nordwesten der Ukraine gab es den Tag über wieder Luftalarm.
Ukraine-Krieg: EU-Ratspräsident Michel besucht Odessa
In Odessa konnte sich an diesem 9. Mai, dem offiziellen Europatag, EU-Ratspräsident Charles Michel ein Bild vom Kriegsalltag machen, als er dort mit dem ukrainischen Premier Denys Schmyhal den europäischen Feiertag begehen wollte. Michel erinnerte daran, dass Odessa nach den Worten Puschkins der Ort sei, „an dem man Europa spüren kann“. Via Twitter rief Michel der Bevölkerung der legendären Stadt zu: „Ihr seid nicht allein - die EU steht zu Euch!“
In Brüssel überlegte derweil der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell laut, dass man eingefrorene russische Geldreserven dafür verwenden sollte, die Ukraine wieder aufzubauen. Wenn der Krieg vorbei ist. (Peter Rutkowski)