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Herbe Verluste: SPD und CDU sterben die Parteimitglieder weg

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Von: Andreas Schmid

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CDU Landesparteitag Brandenburg (Archivfoto)
Mehr als die Hälfte der CDU-Mitglieder sind älter als 60 Jahre. Das hat Folgen. © Klaus-Dietmar Gabbert/picture alliance/dpa

SPD und Union verlieren zusammen 30.000 Mitglieder. Auch die anderen Parteien im Bundestag verzeichnen Verluste, wie auf Anfrage von IPPEN.MEDIA klar wird.

München – Dieser Text beginnt mit einem Quiz: Wer hat mehr Mitglieder? Der FC Bayern oder die SPD? Der mitgliederstärkste Verein der Welt kommt auf 295.000 Mitglieder, die mitgliederstärkste Partei Deutschlands auf knapp 380.000. Bald aber könnte der FCB die SPD einholen. Und das liegt nicht am Mitgliederzuwachs der Münchener. Die SPD verliert seit Jahren an Zustimmung – ist damit aber nicht alleine. Auch die CDU kämpft gegen den Trend. Bei IPPEN.MEDIA geben die im Bundestag vertretenen Parteien Auskunft über ihre aktuellen Mitgliederentwicklungen.

SPD und CDU verlieren zusammen mehr als 26.000 Mitglieder

Die SPD bleibt die mitgliederstärkste Partei Deutschlands. Stand 31. Dezember 2022 besitzen 379.861 Menschen ein SPD-Parteibuch. Das sind 13.866 Personen weniger als am Jahresende 2021. In den vergangenen Jahren verloren die Sozialdemokraten kontinuierlich an Zustimmung. 1990 waren noch 943.000 Menschen in der SPD, 2005 immerhin 590.000 und vor fünf Jahren, Ende 2017, 443.000.

Ähnlich sieht es bei der CDU aus, die aktuell 371.986 Mitglieder zählt. Ein Minus von 12.218 im Vergleich zu Ende 2021. 1990 waren es 790.000, 2005 nur noch 570.000 und 2017 gerade einmal 437.000. Zwischenzeitlich waren die Christdemokraten sogar die mitgliederstärkste Partei, weil der Schwund bei der SPD schlicht größer war. Nun verlieren beide Parteien zusammen mehr als 26.000 Mitglieder. Warum sich die Menschen von den einstigen Volksparteien abwenden, hat mehrere Gründe.

Der Mitgliederschwund begründet sich einerseits im generellen Zuspruchsverlust von SPD und CDU. Bei der vergangenen Bundestagswahl erreichte die CDU gar ihr historisch schlechtestes Ergebnis. Zudem spielen laut Marius Minas vom Trierer Institut für Demokratie- und Parteienforschung auch gesellschaftliche Aspekte eine Rolle. „CDU und SPD leiden darunter, dass traditionelle Milieus wie das katholische Milieu oder Arbeitermilieu seit Jahrzehnten immer weiter aufbrechen.“ Gleichzeitig profitieren Konkurrenzparteien wie FDP oder Grüne. Ihr Mitgliederzuwachs (dazu später mehr) werde begünstigt durch eine „wachsende gesellschaftliche Pluralisierung, Bildungsexpansion und damit einhergehende Individualisierung sowie dem übergreifenden Wertewandel vom Materialismus der Nachkriegsgeneration zum Postmaterialismus.“ Heißt: „Grüne und FDP wirken als junge und moderne Parteien in die Gesellschaft hinein.“

Eine große Rolle spielt auch die Demoskopie. CDU und SPD sind insbesondere bei älteren Wählern beliebt, das zeigt die Wahlforschung. Wie die CDU zudem auf Anfrage von Ippen.Media mitteilt, sind mehr als die Hälfte der Mitglieder älter als 60 Jahre (53 Prozent). Jedes sechste CDU-Mitglied ist sogar älter als 80 Jahre (16,6 Prozent) und nur 5,3 Prozent jünger als 30. Positiv bewertet die Partei den Anteil der Frauen, der sich in den letzten Jahren vergrößert habe. Rund ein Viertel der CDU-Mitglieder ist weiblich (26,5 Prozent). Interessant dabei: Das Durchschnittsalter der CDU-Frauen liegt bei 44 Jahren, das Durchschnittsalter aller Mitglieder jedoch bei 61,1 Jahren.

Ein Schriftzug der Senioren Union
Das Durchschnittsalter der CDU liegt bei über 60 Jahren. © Noah Wedel/Imago

CDU und SPD sterben die Mitglieder weg: Mehr Tote als bei FDP und Grüne

Beiden Parteien sterben insgesamt die Mitglieder weg. Das wird deutlich, wenn man auf die Ein- und Austritte blickt. Zwar haben insgesamt 13.392 Menschen ihr CDU-Abo gekündigt, gleichzeitig sind aber auch 9.079 Menschen neu eingetreten: ein Minus von nur 4400 - und nicht 12.200 Menschen. Diese ehemaligen Mitglieder sind entweder umgezogen oder verstorben.

Bei der SPD sieht es aufgrund der vergleichbaren Mitgliederstruktur ähnlich aus, erklärt Marius Minas vom Trierer Institut für Demokratie- und Parteienforschung. „Betrachtet man die Parteien nach Alterskohorten fällt insbesondere im Vergleich von CDU und SPD mit FDP und Grünen auf, dass der Anteil an Parteimitgliedern über 75 Jahren bei CDU und SPD deutlich größer ist.“ Somit überrasche bei der nüchternen Betrachtung der Mitgliederzahlen nicht, „dass CDU und SPD auch relativ zur Gesamtmitgliederzahl mehr Todesfälle unter ihren Mitgliedern vermelden müssen als FDP und Grüne.“ 2021 sind bei CDU und SPD 1,9 beziehungsweise 1,8 Prozent der Mitglieder gestorben, bei FDP und Grüne waren es 0,5 beziehungsweise 0,3 Prozent*.

CSU liegt auf Platz 3 - Grüne und FDP steigerten Zahlen zuletzt

Spannend ist das Rennen um die drittstärkste Kraft im Land. Hier führte in den vergangenen Jahren die CSU. Die Christsozialen hatten am 31. Dezember 2022 „rund 132.000 Voll-, Probe- und Onlinemitglieder“, wie ein Parteisprecher erklärt. Am 31. Dezember 2021 lag die Zahl der Mitglieder bei rund 136.000.

Konkurrenz gibt es von den Grünen, die ihre Zahlen erst im Februar erheben. Im Februar 2022 waren es 125.737 Mitglieder, ein Jahr zuvor 107.307. „Wir verzeichnen seit Jahren ein bundesweites Wachstum und hatten seit 2016 eine Verdopplung unserer Mitgliederzahl“, heißt es von der Ökopartei. Damals waren es 61.596 Parteiangehörige. Geht der Aufschwung weiter, könnten die Grünen die CSU bald überholen.

Auch die FDP bewertet ihre Mitgliederzahlen positiv. Rund 77.000 sind nach Angaben eines Parteisprechers derzeit FDP-Mitglied. Die Liberalen verloren damit zwar 900 Mitglieder im Vergleich zum Vorjahr, befinden sich aber insgesamt in einem positiven Trend. Seit 2015 (53.197) konnte die FDP ihre Mitgliederzahl um rund 25.000 Personen steigern. 1990 hatten die Freien Demokraten 168.000 Mitglieder, fünf Jahre später nur noch halb so viel (80.4000).

So viele Mitglieder haben die im Bundestag vertretenen Parteien

SPD379.861
CDU371.986
CSU132.000
Grüne (Stand: Februar 2022)125.737
FDP77.000
Linke (Stand: Juni 2022)57.320
AfD (vorläufig)29.409

AfD konstant - Linken-Schwund wegen Russlandkurs?

Die AfD kommt nach vorläufigen Angaben für den Stichtag 31.12. auf 29.409 Mitglieder, rund 600 weniger als im Vorjahr. Insgesamt konnte sie ihre Mitgliederzahl nach Gründung aber nahezu verdoppeln. 2013 startete die als eurokritisch gegründete Partei mit 16.134 Mitgliedern, der Rekordwert kommt aus dem Jahr 2019 (34.923). Danach verloren die Rechtspopulisten bis zu 2600 Mitglieder jährlich. Den größten Zugewinn gab es von 2015 zu 2016, dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, als es von 17.703 auf 25.015 ging.

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Bei der Linken liegen noch keine aktuellen Zahlen vor. Ende 2021 hatte die Partei 60.681 Mitglieder, im Juni 2022 57.320. Zur für März erwarteten Erhebung werden es wohl erneut weniger sein. Vor allem aufgrund der Russland-Politik verlor die Partei zuletzt an Zuspruch. So hat die Partei allein in den vier Wochen nach Sahra Wagenknechts umstrittener Rede im Bundestag „mindestens 809 Mitglieder verloren“, wie ein Parteisprecher bestätigt. Zuerst hatte das ARD-Magazin „Kontraste“ darüber berichtet. Ihren Mitgliederrekord erreichte die 2007 aus der PDS hervorgegangenen Partei zwei Jahre nach Gründung mit 78.046 Mitgliedern. Wiederum drei Jahre später hatten 14.300 davon die Partei schon wieder verlassen (63.761). (as)

*Quelle: Dokumentation von Oskar Niedermayer über die Parteimitgliedschaften im Jahre 2021, (2022) in Zeitschrift für Parlamentsfragen Vol. 53 / Heft 2)

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